Spielwarenmesse: Modelleisenbahner umgarnen den Nachwuchs

1.2.2014, 19:01 Uhr
Märklin will gezielt Kinder und Jugendliche begeistern und sieht sich für die Zukunft gerüstet.

© Josef Hofmann Märklin will gezielt Kinder und Jugendliche begeistern und sieht sich für die Zukunft gerüstet.

Vielleicht sogar etwas zu viel Ruhe. Das Wachstumspotenzial mit der angestammten Klientel ist begrenzt, die Hersteller versuchen mit allen Mitteln, Nachwuchs zu akquirieren.

Von München zur französischen Grenze ohne Halt und ohne Umsteigen. Und dann in wenigen Sekunden weiter bis Paris. Die kleine Anlage, die die Modelleisenbahn Holding auf der Spielwarenmesse präsentiert, dürfte bei so manchem maßstabs- und detailverliebten Modelleisenbahner für eine mittlere Magenverstimmung sorgen. Die Fahrzeuge, die auf dem H0-Gleis im Sekundentakt im grenzüberschreitenden Verkehr fahren, gehen vielleicht noch als Anfänger-Ausrüstung durch.

Auch mit der Steuerung via Tablet-Computer hat sich der Profi schon angefreundet. Dass jedoch eine lustige Comic-Figur mit Schaffnermütze vom Bildschirm aus Spielanweisungen gibt – beispielsweise Blumen nach Paris zu bringen – und den Spieler dann auch noch bewertet, geht manchem ernsthaften Modellbahner dann doch zu weit. Schließlich liebt es der eingefleischte Fan des Genres, die Weichen selbst zu stellen und alles unter Kontrolle zu haben.

Das ist auch Leopold Heher, dem Chef der Modelleisenbahn Holding, bewusst. Für ihn ist das „Gaming-Konzept“ ein separates Geschäftsfeld – ein Computerspiel „ohne Gewalt“ mit „direktem Bezug zur realen Welt“ – wenn auch im Maßstab 1:87. Interaktion heißt das Zauberwort. „Denn nur im Kreis zu fahren, fesselt die Kinder höchstens eine halbe Stunde“, so Heher.

Mit dem Angebot „Next Generation“ sollen Kinder ab sechs Jahren an das Hobby herangeführt werden. Natürlich in der Hoffnung, dass sie vielleicht irgendwann auch einmal zum Enthusiasten werden – und der Branche treu bleiben.

Die Spiele, die die Kleinen aus dem Internet herunterladen können, will Heher nach und nach zu einer ganzen interaktiven Spielefamilie ausbauen. „Geschicklichkeit, Geschwindigkeit, Wissen“ – all das ließe sich in die Spiele einbauen. Die Züge könnten dann durch Wildparks rollen, zwischen Städten oder Staaten verkehren – und die Touren sind jeweils gespickt mit Aufgaben und Informationen über Städte, Länder oder Tiere. Aktiviert werden Aufgaben und Informationen immer dann, wenn die Lok einen der sogenannten „Action Points“ am Gleisbett passiert.

Die Österreicher gehen bislang am weitesten, um die Computer-Kids für die Modellbahn zu begeistern. Doch nicht nur sie stecken in der Demoskopiefalle. Der heutige Kunde ist jenseits der 40, männlich und zahlungskräftig. Kinder sind immer schwerer für das Hobby zu mobilisieren. Spielbahnen und Einsteigersets sind daher seit Jahren ein großes Thema.

Jetzt steigt auch der Hersteller Piko aus Sonneberg ins Spielbahn-Segment für die ganz Kleinen ein. Die Untermarke dafür heißt „My Train“. Ob sich Piko dabei am batteriebetrieben Einstiegsset des Konkurrenten Märklin mit dem Namen „My World“ orientiert hat? Piko-Chef René Wilfer scheint auf die Frage gewartet zu haben, die Antwort kommt prompt: „Wir wollen Züge verkaufen, nicht die Welt.“

Apropos Märklin: Der Branchenführer aus Göppingen, der seit fast einem Jahr zur erweiterten Simba-Familie gehört, hat auch ein neues Angebot unter der Marke „Start up“ für die Sechs- bis Zwölfjährigen am Start – natürlich mit der Steuerungsmöglichkeit über Tablets und Smartphone.

Eben „auf die Zielgruppe zugeschnitten“, wie Geschäftsführer Florian Sieber betont. Ein neuer Name, neue Packungen, aber noch wenig Innovatives, merken Insider an. Für die neuen Herren aus Fürth war die Zeit seit der Übernahme anscheinend zu knapp, um eine ausgefeilte Strategie für das neue Einsteigersegment zu entwickeln.

Die Säule des Geschäfts sind die echten „Nietenzähler“

Auf den Kindern von heute ruht zwar die Zukunft der Modelleisenbahnbranche, aber die Geschäfte der Gegenwart werden mit einer eingefleischten Fangemeinde gemacht. Sie bringen den Umsatz.

Bei Märklin samt der Marken Trix und LGB stagnierte der im vergangenen Jahr bei etwa 105 Millionen Euro, während die Modelleisenbahn Holding ein Umsatzplus von vier Prozent auf 51 Millionen Euro meldete – und Piko ist nach eigenen Angaben in Deutschland sogar um zwölf Prozent gewachsen. Überprüfbar ist das nicht, denn Piko-Chef Wilfer nennt keine absoluten Zahlen.

So zurückhaltend sich manche Hersteller mit Details aus dem Geschäftsbericht zeigen, so besessen arbeiten sie an den Details ihrer Modelle. Eine vierstellige Zahl an Neuheiten ist auch für das laufende Jahr wieder angekündigt – neue Modelle, neues Design und natürlich neue technische Möglichkeiten.

Die Digitalisierung ermöglicht längst die separate Steuerung von Licht- und Soundeffekten. Noch realitätsnäher ist die Steuerung via Tablet, auf das sich originalgetreue Abbilder von Lok-Führerständen (Roco) herunterladen lassen.

Und auch diejenigen, denen es schon immer ein Dorn im Auge war, dass der Kohletender ihrer Lok auch am Ende der Fahrt noch voll war, können aufatmen. Märklin zeigt in Nürnberg eine Dampflok der Baureihe 01, bei der sich der Tender je nach Energieverbrauch leert – sichtbar auf der Anlage und kontrollierbar natürlich auf einem Tablet. Auch die Wiederbeladung kann digital gesteuert und verfolgt werden. Zudem soll der bereits 2013 vorgestellte Regionalzug, bei dem nach dem Öffnen der Türen ein Video mit aus- und einsteigenden Fahrgästen in der Tür abläuft, in diesem Jahr in Serie gehen.

Wer auf die größere Spur 1 steht und knapp 3000 Euro zur Verfügung hat, kann das in viel Handarbeit gefertigte P8-Modell erwerben – mit „radsynchronem Dampfausstoß“ und synchronisiertem Sound.

In welche Richtung sich die Branche neben Digitalisierung und Nachwuchsrekrutierung noch bewegt, zeigt Roco: Erstmals ist auch eine chinesisches Modell im Angebot. Neue Märkte heißt das Stichwort, das sich auch Märklin auf die Fahnen geschrieben hat.

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