Starke Masche: Stricken für den guten Zweck

10.6.2012, 20:00 Uhr
Starke Masche: Stricken für den guten Zweck

© Hagen Gerullis

Die Nervosität steigt. Stricken lernen unter den Augen der Profis. Die erste Reihe hat Sigrid schon mal gemacht, „dann ist es leichter“. Jetzt den Baumwollfaden um den linken Zeigefinger wickeln, dann mit der Stricknadel in der rechten Hand durch die Masche stechen, den Faden holen, „rum und rüber“. Fertig. Eine gute Masche, finden auch die Experten. Der Erfolg macht Lust auf mehr.

Innere Ruhe genießen

„Ein echtes Naturtalent“, sagt Ewa Hey. Die Inhaberin der Wollwelt in der Wodanstraße muss es wissen. Aber ihr Lob wird fast nicht wahrgenommen. Wer sich das erste Mal ins Reich von Garn, Nadel, Wolle „verstrickt“, ist schnell süchtig — und genießt die innere Ruhe, die mit jeder Masche steigt.

Für Ewa Hey und ihre Freundinnen und Kundinnen der Wollwelt ist stricken wie atmen. Ganz unbewusst und rhythmisch wirbeln die Nadeln ineinander und aus einem Garn wird ein Schal, eine Socke oder ein Mützchen. Währenddessen plaudern sie oder trinken Kaffee.

Erfahrung austauschen

Zum „Tag der Handarbeit“ haben sich die zehn Damen getroffen, um zusammen ihrem liebsten Hobby nachzugehen. Dass sie ihre Freizeitbeschäftigung gemeinsam bestreiten, ist dabei längst keine Seltenheit mehr. Jeden Dienstag und Freitag trifft sich ein Teil von ihnen in der Wollwelt „Um Erfahrungen beim Stricken auszutauschen — und natürlich auch Neuigkeiten“, verrät Gerlinde Weber. Eine willkommene Abwechslung, denn stricken „macht man sonst eher alleine oder nebenbei“, sagt sie.

Aber wer macht das überhaupt noch? „Immer mehr“, sagt Ewa Hey. Sie merkt es an der steigenden Zahl ihrer Kunden — unter denen eben nicht nur Großmütter sind, wie sie betont. „Ein Drittel ist 35 Jahre oder jünger.“ Ein Vorurteil aber kann sie nicht ausräumen: „Alle sind Frauen.“

Unter freiem Himmel

Einen kleinen Teil davon bewirtet sie gerade vor ihrem Geschäft — im Freien. Für die meisten ist auch die Handarbeit unter freiem Himmel eine Abwechslung. „Stricken ist schon eher etwas für Herbst oder Winter“, findet Gerlinde Weber. „Dann flutschen die Nadeln schon besser als bei 30 Grad“, schmunzelt sie.

Für ihre gemeinsame Aktion haben sich die Damen auf Bierbänke vor die Wollwelt gesetzt — und bieten ein munteres Kontrastprogramm zu den wenigen Biertrinkern in Deutschlandtrikots in der Eckkneipe 100 Meter weiter. Die Stimmung bei den „Strickerinnen“ schlägt die der noch müde wirkenden Fußball-Anhänger um Längen. Während die Fans noch auf den Ausgang des Spiels am Abend warten, hat Ewa Hey schon ein Ergebnis.

Zahlreiche Spenden

Im Geschäft stapeln sich Kartons, Kisten und Säcke mit Socken, Mützen und Decken. Sie sind allerdings nicht das Produkt eines Tages, sondern vieler Strick- und Nähstunden der Damen zu Hause. Mehrmals im Jahr spenden Ewa Hey und ihre Freundinnen für die Kleinsten. Die Wollerzeugnisse sind für Frühchen und andere Neugeborene im Klinikum bestimmt.

Abgeholt werden die Sachen von Maria Buss, die sich gerade zu den anderen auf die Bierbank gesellt. Sie ist stellvertretende Pflegedienstleiterin der Kinder- und Frauenklinik am Südklinikum. Sie strickt selbst — und weiß, wie toll die inzwischen fast 2500 gespendeten Häkel- und Strickprodukte ankommen. „Die gehen weg wie nix“, sagt sie. Handarbeit ist eben in. Eine starke Masche.

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