"Sturzbetrunkener" arbeitete für Nürnberger Kita

23.11.2018, 05:55 Uhr
Nach massiven Beschwerden und "aufgrund von Problemen, die im Rahmen der Maßnahme aufgetreten sind", erklärte die AWO im April, wurde die Zusammenarbeit mit dem Mann beendet.

© dpa Nach massiven Beschwerden und "aufgrund von Problemen, die im Rahmen der Maßnahme aufgetreten sind", erklärte die AWO im April, wurde die Zusammenarbeit mit dem Mann beendet.

Die Mails, die die Frau an den Elternbeirat, die Kita-Leitung und das Jugendamt schrieb, hat sie aufgehoben, sie liegen der Nürnberger Zeitung vor. Die Frau möchte nicht, dass man auf sie und ihre Familie Rückschlüsse ziehen kann, daher nennen wir ihren Namen nicht. Noch immer ist sie fassungslos darüber, wie sich die Geschichte entwickelt hat.

Martin (Name geändert) wurde als Ein-Euro-Jobber von der Jobagentur vermittelt, betreut wurde er von der Noris-Arbeit gGmbH (NOA). Diese kommunale Beschäftigungsgesellschaft bemüht sich, Menschen aus sozial benachteiligten Personengruppen eine Arbeitsstelle zu vermitteln. Einmal haben ihr Mann und eine Bekannte Martin "sturzbetrunken" und wiederholt mit deutlicher Alkoholfahne angetroffen, Eltern hätten gesehen, wie er vor Arbeitsbeginn in einem nahen Supermarkt Bier kaufte, eine Familie habe ihn entdeckt, als er schlafend hinter ihren Mülltonnen lag. Im Rahmen seiner Tätigkeit im Kindergarten wechselte er den Jüngsten die Windeln und wachte während des Mittagsschlafs über rund 25 Kinder. Dabei soll er allein mit ihnen im Raum gewesen sein.

Massive Beschwerden

Nach massiven Beschwerden und "aufgrund von Problemen, die im Rahmen der Maßnahme aufgetreten sind", erklärte die AWO im April, wurde die Zusammenarbeit mit Martin beendet. Der Fall wurde nicht weiterverfolgt, obwohl die Frau eine Aufarbeitung verlangte und diese angeblich auch zugesichert wurde. Sie fragt sich: "Wie kann es sein, dass es für eine ungelernte, kranke Hilfskraft derart einfach ist, Zugang zu einer Kita zu bekommen und dort trotz der offensichtlichen Fehlbesetzung über Monate verbleiben zu können?"

Die NOA ist einer von vielen Partnern der Arbeitsagentur Nürnberg. Wenn die Vermittler in ihren Computer beispielsweise eingeben, dass ein Arbeitgeber einen Erzieher sucht, dann erscheinen alle Kandidaten, die in diesem Bereich eine Beschäftigung möchten, egal ob sie von der NOA betreut werden oder von einer anderen Beschäftigungsgesellschaft. "Wir haben in unserem System keine Schlagworte wie ,Alkoholproblem’ oder Ähnliches", betont Mathias Ringler, der Pressesprecher der Agentur für Arbeit in Nürnberg. "Das würde sonst dazu führen, dass man voreingenommen ist. Das wäre äußerst bedenklich, weil der Klient ja nie wieder herauskommt aus der Situation, in der er sich einmal befand."

Ringler vergleicht die Lage mit der, in der sich Menschen befinden, die wegen Straftaten in Haft sitzen. Eine Arbeitsstelle soll auch Gestrauchelten die Chance bieten, wieder einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Auch, wenn diese Arbeit in einem besonders sensiblen Bereich angesiedelt ist, etwa in einem Kindergarten? Ringlers Antwort ist eindeutig: "Ja!"

Selbstverständlich möchten alle an der Vermittlung Beteiligten, dass das Arbeitsverhältnis stabil und erfolgreich ist. Daher zum Beispiel führt die NOA wie auch einige andere Träger, die Arbeitssuchende betreuen, regelmäßige Suchtberatungsgespräche durch für die Personen, bei denen man weiß, dass in ihrem Alltag Drogen oder Alkohol eine Rolle spielen. Die Arbeitsagentur selbst kontrolliert niemanden. "Genau das aber hat die Kita mir und anderen Eltern gegenüber wiederholt behauptet", ärgert sich die Mutter.

Manche Menschen können oder wollen auch nicht verbergen, dass sie ein Suchtproblem oder eine psychische Erkrankung haben. Für die hat die Arbeitsagentur das INGA-Team geschaffen, das "Interne und Ganzheitliche Beratung" bieten will. Ein Mitarbeiter betreut in diesem Team 70 bis 90 Kunden, normalerweise sind es viermal so viele. "Da kann eine Vertrauensbasis aufgebaut werden, so dass die Vermittler zum Beispiel ein Problem auf sensible Art und Weise ansprechen können", erklärt Matthias Ringler. Dazu gehört auch, ihnen eine Stelle auszureden.

 

Wenn der Arbeitnehmer aber darauf besteht und der Arbeitgeber sich auch auf ihn einlassen möchte – dann muss sich die Agentur aus der Sache heraushalten. Über den weiteren Verlauf der Zusammenarbeit entscheidet der Arbeitgeber. Ist der Arbeitsmarkt für Beschäftigte im Kita-Bereich so leergefegt wie aktuell, mag das wohl manche Einrichtung dazu bringen, nachsichtiger zu sein als sonst.

Ein Fall wie der in dem betroffenen Kindergarten sei schwer zu verhindern und könne daher immer wieder vorkommen, bedauert Matthias Ringler. "Das ist ein schmaler Grat – wann ist der überschritten? Es hätte ja theoretisch auch klappen können."

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