Tannen-Trend: Der Bio-Weihnachtsbaum wird immer beliebter

22.12.2020, 11:04 Uhr
Ab in den Trichter und dann ins Netz: Die Nachfrage nach Bio-Weihnachtsbäumen nimmt zu.

© Foto: Karlheinz Daut Ab in den Trichter und dann ins Netz: Die Nachfrage nach Bio-Weihnachtsbäumen nimmt zu.

Die Nachfrage steigt, sagt Christian Schadinger und freut sich. Die Kundschaft wolle kein mit Pestiziden hochgepäppeltes Tannengrün. Chemie im Wohnzimmer sei unerwünscht, so der Chef der kommunalen Noris-Inklusion, die zertifizierte Bio-Bäume aus dem Spessart verkauft. Das gelte übrigens auch für seine Familie, die mit zu den Stammkunden des Großreuther Betriebes gehört, in dem viele Menschen mit Behinderung arbeiten.

Guter Baum und gutes Gewissen

Immerhin leben die Schadingers fast vier Wochen lang mit ihrer geschmückten Bio-Tanne zusammen. Sie können’s nämlich nicht erwarten, bereits 14 Tage vor dem Heiligen Abend wird das Prachtstück im Wohnzimmer aufgestellt. Das Fest feiern die vier "mit einem guten Baum und einem guten Gewissen". Klar seien Baumarkt-Tannen etwas billiger, gibt der Geschäftsführer zu. "Trotzdem ist alles bis zum 22. Dezember immer restlos ausverkauft."

Manchem wurde die Stimmung schon 2017, durch den bundesweiten Weihnachtsbaum-Test des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), verhagelt. Von 17 untersuchten Bäumen waren 13 zum Teil mehrfach belastet; viele würden mit einem regelrechten Pestizidcocktail behandelt, lautete die Diagnose, zum Schaden von Natur und Grundwasser. Gültige Grenzwerte für Zierpflanzen gibt es, anders als bei Obst und Gemüse, bislang freilich nicht.

Trotzdem ist längst nicht alles erlaubt. Bei dem BUND-Test flog 2017 auch jener Betrieb aus der Main-Region bei Würzburg auf, in dessen Zuchtbäumen das seit mehreren Jahren EU-weit verbotene Pflanzenschutzmittel E 605 entdeckt wurde, was zu staatsanwaltlichen Ermittlungen führte.

Baumärkte entdecken Bio-Nische

Es geht auch anders. Zum Beispiel auf der Bio-Plantage bei Großhabersdorf, wo Schafe das Grünzeug zwischen den Bäumchen ganz natürlich wegfressen. Ralf Straußberger hat sich dort gerade genau angesehen, wie Weihnachtsbäume ohne synthetische Pestizide, Kunstdünger, Wachstumshormone, das sogenannte Totalherbizid Glyphosat oder Konservierungsstoffe heranwachsen. Der Nürnberger ist Jagd- und Waldreferent beim Bund Naturschutz in Bayern, er registriert ebenfalls deutlich mehr Nachfrage nach giftfreiem Grün, das die Artenvielfalt schont. Der Verband gibt einen eigenen Bio-Einkaufsführer für Weihnachtsbäume heraus. Auch einige Baumärkte haben inzwischen eine Bio-Nische für Weihnachtsbäume.

Man könnte noch viel mehr Öko-Tannen verkaufen, hat der BN-Mann festgestellt. Oft reiche die gelieferte Ware gar nicht aus. Möglichst regional, direkt aus dem Reichswald oder von einem Bio-Verband zertifiziert sollten Weihnachtsbäume sein, sagt Straußberger, der promovierte Biologe. Der Handel reagiere mittlerweile auf das Umdenken der Verbraucher. In Nürnberg gebe es bereits mehr als eine Handvoll Verkaufsstellen für Bio-Produkte. "Die Käufer sollten genau nachfragen", sagt er. Nur so würden mehr Anbieter zum Umsteigen animiert.

Krumm oder "natürlich gewachsen"

Straußberger selbst holt sich seine Fichte vor Weihnachten übrigens aus dem eigenen Wald. Ähnliches hat auch Sabine E. aus Zerzabelshof versucht, die dem Ruf des Nürnberger Forstbetriebs nach Laufamholz gefolgt ist. Die beim Weihnachtsmarkt angebotenen Bäumchen aus dem nahen Wald seien aber so dünn und hässlich gewesen, dass sie kapitulierte. "Da krieg’ ich Depressionen davon. Da hält doch keine Kugel dran." Die Enttäuschte wird anderswo fündig werden.

"Natürlich gewachsen" nennt das dagegen Max Hopperdietzel von der Drogenhilfe Mudra. Der Verein lädt Interessenten alljährlich ein, sich Fichten oder Tannen ihrer Wahl selbst aus dem Wald zu holen. Der Meter Bio-Baum kostet unschlagbare fünf Euro. Rund 100 Menschen kommen jedes Jahr zusammen und trinken danach Glühwein am Feuer. "Ein schönes Event", sagt Hopperdietzel, bei dem ein paar Hundert ohne Gift gewachsene Bäume verkauft werden. "Da ist es egal, ob die ein bisschen krumm sind." Dem Wald tue das übrigens nicht weh, die potenziellen Weihnachtsbäume hätten dort ohnehin keine Überlebenschanchen. Auch die Weihnachtsbaumaktion 2020 soll pandemiebedingt nicht komplett ausfallen, sondern findet unter einem extra ausgearbeiteten Sicherheitskonzept statt.

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