Test in Nürnberg: Wie Bräute über den Tisch gezogen werden

8.4.2015, 16:00 Uhr
Test in Nürnberg: Wie Bräute über den Tisch gezogen werden

© Fotos: Twentieth Century Fox/afp

Eineinhalb Stunden lang läuft alles ganz fabelhaft. So fabelhaft sogar, dass die Testbraut, die eigentlich gar nicht heiraten will, kurz überlegt, das doch irgendwann einmal zu tun. Feinste Spitze in Champagner, eine traumhafte Schleppe und dann sitzt das Kleid auch noch perfekt. Man muss es den Verkäuferinnen lassen: Sie wissen, wie sie Bräuten das perfekte Kleid verpassen. Nur eines soll man ihrer Meinung nach am besten nicht tun: noch einmal darüber nachdenken, ob man das Kleid wirklich haben will oder vielleicht doch lieber mal bei der Konkurrenz vorbeischaut - und das, obwohl man bereits zu Beginn der ganzen Anprobe gesagt hat, dass man sich vorher noch nicht nach einem Kleid umgesehen hat.

"Wenn eine andere Braut das Kleid will, ist es weg“, sagt die Verkäuferin, "wenn wir es nachbestellen müssen, kann das sehr lange dauern.“ Überhaupt sei man recht spät dran, schließlich soll ja schon im September geheiratet werden. Von einer anderen Braut das Traumkleid vor der Nase wegkaufen lassen? Niemals. Noch nicht einmal anprobieren sollen die anderen Frauen das gute Stück.

Die Mitarbeiterin kennt aber die Lösung: "Machen Sie einfach eine Anzahlung, wir reservieren das Kleid dann für Sie." Die Robe kommt dann aus dem Verkaufsraum raus, niemand wird es mehr sehen. "Da könnte sich der Verlobte auf den Boden werfen", sagt die Verkäuferin, "wir würden sie niemandem zeigen." Und weil sie so nett ist, reichen ihr auch 300 Euro für die Reservierung, obwohl sie normalerweise den halben Kaufpreis verlangen müsste. Aber halt, was ist, wenn die Konkurrenz doch ein noch schöneres Kleid im Angebot hat? "Dann dürfen Sie sich für die 300 Euro etwas anderes bei uns aussuchen", sagt die Verkäuferin, den vollen Kaufpreis für das Kleid (die NZ-Testerin hat immerhin ein Modell für 1690 Euro gewählt), müsse man in dem Fall natürlich nicht bezahlen.

Ein Prosecco am Morgen hebt die Kauflaune

Das klingt fair, schließlich ist es nur legitim, wenn sich Geschäfte, die sich stundenlang um ihre Kundschaft kümmern, nicht von Internethändlern das Geschäft kaputtmachen lassen. Reservierungsgebühr gegen Beratungsklau, dagegen ist moralisch gesehen nichts einzuwenden. Außerdem wollen Brautgeschäfte die Kleider ja verkaufen - und nicht wochenlang für Bräute im Lager verstecken, die die Roben dann doch nicht nehmen.

Dann jedoch wird die Sache dubios. Während nämlich im Erdgeschoss des Ladens der "Vertrag" für die "Reservierung" aufgesetzt wird, tippt die Mitarbeiterin schon einmal den Betrag in Höhe von 300 Euro ins EC-Gerät. "Sie müssten nur noch Ihre Geheimzahl eingeben", sagt sie - noch bevor die Testbraut den "Vertrag" gesehen hat.

Bis der dann fertig ist, dauert es eine ganze Weile. Zeit, die der Testbraut mit einem Gläschen Prosecco verkürzt wird. "Das ist gut für den Kreislauf", sagt die Verkäuferin und bekräftigt noch einmal, dass die 300 Euro wirklich nur für die Reservierung verlangt werden und keinen automatischen Kleiderkauf nach sich ziehen.

"Rücktritt ausgeschlossen"

Was dann aber in schriftlicher Form kommt, liest sich anders. "Rechnung/Kaufvertrag“ steht auf dem Papier, das gleich in doppelter Ausfertigung in den ersten Stock gebracht wird und seitens der Verkäuferin bereits unterschrieben ist. Auf dem Schriftstück ist der volle Kaufpreis des Kleides vermerkt. Handschriftlich wurde es um den Hinweis "Anzahlung 300 Euro" ergänzt, in Klammern steht "Austausch gegen anderes Brautkleidmodell möglich".

Wie soll man als Braut da reagieren? Der tollen Verkäuferin vertrauen und unterschreiben? Oder vielleicht doch noch einmal darüber nachdenken, was das eigentlich bedeutet. Am besten in Ruhe in einem Café um die Ecke. "Sie dürfen den Vertrag nicht mit aus dem Geschäft nehmen, bevor Sie nicht unterschrieben haben", sagt die Verkäuferin. Sie scheint nervös zu werden, telefoniert und beratschlagt sich mit einer Kollegin.

In der Zeit ist die Testbraut allein - und kann sich auf das Kleingedruckte konzentrieren. "Wir bitten um Beachtung, dass unsere Waren von jeglichem Rücktritt/Umtausch ausgeschlossen sind", steht unter dem Platz, an den die Braut ihre Unterschrift setzen soll. Und fast noch interessanter: "nur schriftliche Absprachen". Darauf ankommen lassen muss man es nicht.

Den Artikel über den Gerichtsprozess der jungen Frau, die sich von dem Geschäft über den Tisch gezogen fühlte, finden Sie hier.

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