Tritte gegen den Kopf: Nürnberger steht vor Gericht

20.3.2018, 19:09 Uhr

Was ihn zu den brutalen Tritten trieb? Dünn und blass sitzt der Angeklagte im Saal 600, sein Verteidiger Jürgen Lubojanski spricht von "Erinnerungslücken", der 30-Jährige bedauere all dies zutiefst. An jenem Abend hatten die Freunde gefeiert, privat, bei Bekannten. Doch wie es so weit kommen konnte, was ihn dazu brachte, seinen Freund zu schlagen, bis dieser bewusstlos wurde, der Angeklagte kann es nicht erklären.

Rückblick: Am 24. September 2017 taumelten die beiden Studenten gegen 1.15 Uhr auf der Äußeren Bayreuther Straße entlang, eine halbe Stunde später zeigte ein Atemalkoholtest des 30-Jährigen knapp zwei Promille, wenige Stunden später wurde er dem Ermittlungsrichter vorgeführt – versuchter Totschlag mit gefährlicher Körperverletzung wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, seit jener Nacht sitzt er in U-Haft.

Folgt die Strafkammer der Anklage, muss er mit einer mehrjährigen Freiheitsstrafe rechnen. Dabei sei der Angeklagte, so der Geschädigte, ein "ruhiger Mensch" ein Mitbewohner, der sich immer hilfsbereit gezeigt hatte, ein junger Mann, der nie vorher aggressiv auftrat – sich nicht über die Nachrichten aufregte und nie anderen Menschen gegenüber die Haltung verlor. 

Stampfende Tritte gegen den Kopf

Und doch schockierte er, dieser Mann, der auch in der Schwurgerichtskammer so still sitzt, als würde er den Prozess, der ihm gemacht wird, nur beobachten, in jener Nacht offenbar jeden, der ihm zufällig begegnet ist. Als er mit seinem Freund die vielbefahrene Äußere Bayreuther Straße entlang wankte, fühlte er sich offenbar vom Verkehr gestört – und wich auch nicht von der Fahrbahn, als ihm Autos entgegenkamen.

Im Gegenteil: er benahm sich, als gelte es, ein Revier zu verteidigen, zwang zwei Autofahrer zum Bremsen und drosch mit beiden Händen auf die Seiten- und Heckscheiben der Autos ein. Als "aufgepuscht" beschreiben ihn Zeugen, Kraftausdrücke habe er geplärrt. Sein Begleiter habe noch versucht, ihn von der Fahrbahn auf den Gehweg zu ziehen, da rastete der Angreifer aus, laut und wütend schlug er seinen Bekannten nieder.

Er ließ auch jetzt nicht nach, sondern trat auf ihn ein – Zeugen wollen sich an stampfende Tritte gegen den Kopf erinnern, mindestens zehn Stück, bekundet eine Frau, auch wenn sie auf Nachfrage der Verteidigung einschränkt, nicht mitgezählt zu haben. Was alle Zeugen irritiert: Als der Mann auf sein Opfer eintrat, stützte er sich dabei auf einer Mauer ab.

Konnte er im Suff die Balance nicht mehr halten? Die Kraft zur Flucht hatte er noch – als einige Zeugen einschritten, flüchtete er stadteinwärts. Der Geschädigte erlitt eine Gehirnerschütterung und wurde mehrfach bewusstlos. Heute studiert er wieder – doch das "Erlebnis", wie er es nennt, zwang ihn zu einer Pause. Der Prozess geht weiter.