Trotz Hormonen: Grünes Licht für Trinkwasser aus der Region

15.12.2018, 06:00 Uhr
Trotz Hormonen: Grünes Licht für Trinkwasser aus der Region

© Foto: Patrick Pleul/dpa

"Ich kann nur jeden ermuntern, unser Trinkwasser zu nutzen, anstatt Plastikflaschen voll Wasser zu kaufen", sagte Peter Pluschke (Die Grünen) im Gesundheitsausschuss des Stadtrats. "Bei allen Bedenken" wegen Umwelteinflüssen handle es sich um ein Produkt "von bester Qualität, das im Vergleich auch noch außerordentlich preisgünstig ist". Das gelte auch für die Verwendung als Babynahrung.

Grünes Licht also in einer Frage, die die Rathausfraktionen von CSU und SPD aufgebracht hatten. Sie hatten für das Gremium einen Trinkwasserbericht angefordert, nach sich häufenden Berichten über Arzneimittelrückstände im Abwasser. Schmerzmittel, Blutdrucksenker, Hormone aus der Antibabypille, Röntgenkontrastmittel, Benzotriazole aus Spülmaschinenreinigern, perfluorierte Tenside aus Textilien oder Industrieanlagen – sogenannte Spurenstoffe aus dem menschlichen Alltag tauchen mittlerweile in fast allen deutschen Gewässern auf. Die Kläranlagen können sie kaum abbauen.

"Man darf deswegen aber nicht den Eindruck bekommen, unser Wasser sei schlechter geworden", sagte Mirjam Bergold vom regionalen Wasserversorger N-Ergie vor den Stadträten. Zum Teil gingen die Funde nur auf Fortschritte in der Messtechnik zurück, erläuterte die Leiterin des Geschäftsbereichs Wasser. "Wir können an unseren Messstellen in der Pegnitz, Rednitz und Regnitz immer mehr Stoffe nachweisen. Aber wir erkennen keinen Anstieg." Zum anderen bestehe zwischen Resten von geklärtem Abwasser und Grundwasser nur sehr indirekt ein Zusammenhang. Nur wo sich das Grundwasser aus Flüssen speist, aus ihrem sogenannten Uferfiltrat, können die hartnäckigen Chemikalien zum Problem werden.

Keine Spurenstoffe

So finden sich in drei der fünf Wasserwerke, aus denen die N-Ergie ihr Trinkwasser gewinnt – Ranna, Ursprung und Krämersweiher –, bisher allen Messungen zufolge keine Spurenstoffe. Die Quellen liegen dafür zu tief. In den Wasserwerken Nürnberg (Erlenstegen-Eichelberg) und Genderkingen (Kreis Donau-Ries) dagegen lassen sich Spurenstoffe nachweisen. An erster Stelle liegen die Süßungsmittel, es folgen medizinische Kontrastmittel und Benzotriazole, sehr selten auch Medikamentenrückstände.

 

Aber: Es handle es sich um "unendlich geringe" Konzentrationen, sagte Klaus Burkhardt, Wasserchemiker bei der N-Ergie. Bei Röntgenkontrastmitteln messe die N-Ergie beispielsweise Werte unter 50 Nanogramm pro Liter. "Stellen Sie sich Aspirin vor. Bei einer Konzentration von 100 Nanogramm pro Liter müssten Sie 7000 Jahre lang zwei Liter trinken, um auf die Dosis von einer Tablette zu kommen", rechnete er vor.

Für die menschliche Gesundheit seien solchermaßen verdünnte Spuren im Trinkwasser ohne Bedeutung, wie die Gesundheitsämter in Nürnberg und für den Landkreis Donau-Ries in Übereinstimmung mit dem Umweltbundesamt versichern. Der Körper scheide die Rückstände unverändert wieder aus. Derzeit sieht die Trinkwasserverordnung für die Spurenstoffe noch keine Grenzwerte vor, anders als etwa für Pflanzenschutzmittel. Auch wegen Mikroplastik besteht aus Sicht von Umweltreferent Pluschke kein Grund zur Sorge. Der Sandfilter der Nürnberger Kläranlage sei so leistungsstark, dass er auch winzige Partikel zurückhalte, sagte er. Die N-Ergie äußerte sich zurückhaltender. Für Mikroplastik gebe es noch kein standardisiertes Messverfahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ins Grundwasser eindringe, sei aber "relativ gering", da der Boden als natürlicher Filter dient.

Keine Illusionen

"Wir machen uns da keine Illusionen", sagte N-Ergie-Fachmann Burkhardt. "Die Flüsse sind ein Spiegelbild unserer Lebensweise." Medikamentenreste gehören deshalb in den Hausmüll und keinesfalls in die Toilette. Der Bericht des Gesundheitsamts stellt allerdings fest, dass falsch entsorgte Präparate nur den kleinsten Teil der Belastung im Abwasser verursachen – der Großteil stammt aus menschlichen Ausscheidungen.

Ob Klärwerke mit einer zusätzlichen sogenannten vierten Reinigungsstufe die menschengemachten Schadstoffe zurückhalten könnten, wird derzeit noch erforscht. Es gelte Pilotprojekte wie etwa in Weißenburg abzuwarten, sagte Pluschke. Eine Nachrüstung der Kläranlagen sei nur im Verbund einer ganzen Region sinnvoll.

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