Türkische Supermärkte sind auf dem Vormarsch

2.4.2015, 14:09 Uhr
Türkische Supermärkte sind auf dem Vormarsch

© Michael Matejka

Gostenhofer Hauptstraße, 6 Uhr früh. Während es in vielen umliegenden Läden noch dunkel ist, herrscht im Ataman Markt schon reger Andrang. Allerdings sind die ersten Kunden nicht zum Einkaufen gekommen. An der Imbisstheke von Ismet Berisha treffen die letzten Nachtschwärmer auf die ersten Frühschichtarbeiter, die sich vor dem Start in den Arbeitstag eine heiße Kuttel- oder Linsensuppe gönnen.

Die andere Spezialität des Hauses, Lahmacun, wird laufend frisch zubereitet. Eine Art Presse drückt Teig zu kleinen Scheiben, die Berisha mit einem einzigen geübten Handgriff mit Hackfleisch belegt und in den Backofen schiebt. Eine modern anmutende Produktionsweise, die bereits Jahrzehnte alt ist, wie Leyla Güngör stolz berichtet: „Die Maschine hat unser Vorgänger selbst entworfen und anfertigen lassen. Sie läuft bis heute.“

Das Gerät ist nicht die einzige Idee ihres Vorgängers, die läuft und läuft. Yilmaz Ataman war auch derjenige, der Ende der 60er Jahre das erste türkische Lebensmittelgeschäft Nürnbergs eröffnete. Das simple Konzept, Gastarbeiter mit frischem Gemüse und Obst, anatolischen Hülsenfrüchten und Konserven sowie Fladenbrot und halal geschlachtetem Fleisch zu versorgen, funktioniert bis heute.

So gut, dass Ataman, Nürnbergs ältester türkischer Supermarkt, bis heute hoch im Kurs steht bei vielen Kunden, obwohl die Idee seither viele „Nachahmer“ gefunden hat. Zehn türkische Supermärkte, buhlen in Nürnberg bereits um die Gunst des Publikums — vom eingesessenen Traditionsgeschäft bis hin zu modernen Neueinsteigern mit mehreren Filialen. Tendenz: steigend

Türkische Supermärkte sind auf dem Vormarsch

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Nur einen Steinwurf vom Gostenhofer Platzhirsch entfernt hat beispielsweise kürzlich der Plärrer Supermarkt seine Pforten eröffnet. In den früheren Räumen eines Computerhändlers sind nun frisches Obst und Gemüse, allerlei anatolische Spezialitäten, aber auch Backwaren und Frischfleisch erhältlich.

Rafet und Esin Tuna, die jahrelange Erfahrung am Nürnberger Großmarkt mitbringen, steigen am neuen Standort erstmals von Groß- auf Einzelhandel um. Mit ihrem Supermarkt haben sich die beiden nach eigenen Aussagen einen langgehegten Traum erfüllt, der bislang gut zu funktionieren scheint

Türkische Supermärkte sind auf dem Vormarsch

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Ihre Wurzeln in Gostenhof haben auch Ali und Ahmet Üstel in Sandreuth. Ihr 1998 eröffneter Üstel Supermarkt an der Maybachstraße mit eigener Metzgerei und Bäckerei ist Ergebnis einer langen Familientradition: Die beiden standen bereits in den 80ern im Lebensmittelladen ihres Vaters Kazim in der Austraße hinter dem Tresen. Die Konkurrenz durch immer neue Märkte sieht Ahmet Üstel gelassen. „Jeder von uns hat seine Kunden“, ist der 40-Jährige überzeugt. „Reich wird man in unserem Geschäft eh nicht“, sagt Üstel, der bis heute, ebenso wie sein Bruder, täglich selbst Hand anlegt im Supermarkt.

Bei aller Gelassenheit bekommt auch er die Preiskämpfe zu spüren, die einige Märkte anzetteln. Ahmet Üstel will zwar niemanden kritisieren, aber am Beispiel einiger deutscher Supermärkte, die inzwischen ebenfalls türkische Lebensmittel im Sortiment haben rechnet er vor: Wenn dieselbe Konserve Tomatenmark, die es beim Türken für 1,49 Euro gibt, 2,80 Euro oder mehr kostet, laufe etwas falsch, findet Üstel. „Die kalkulieren betriebswirtschaftlich bestimmt nachhaltiger als so mancher unserer Konkurrenten.

Türkische Supermärkte sind auf dem Vormarsch

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Ein Schuh, den sich Kadir Bozkurt sicher nicht anzieht. Denn beim Zara Markt, der in der Südstadt, in Muggenhof sowie am Nordostbahnhof bereits drei Filialen in Nürnberg hat, sei alles wie in deutschen Supermärkten. Mitunter sogar besser, findet er: „Ich kann von meinem Smartphone aus den Warenbestand aller Filialen kontrollieren oder die Preise anpassen“, sagt Bozkurt, der eine der drei Filialen leitet. An der Spitze der anderen stehen Schwager von ihm. Familienbetrieb trifft Moderne.

Bei Zara, benannt nach einem Städtchen in Anatolien und nicht dem spanischen Modekonzern, ist das zentrale Warensystem freilich nicht die einzige Besonderheit. Ähnlich wie deutsche Discounter nutzt man hier seine Marktmacht längst auch, um Eigenmarken zu etablieren: Zum Beispiel bei Oliven, einem der wichtigsten Posten in jedem türkischen Lebensmittelgeschäft. Für den Gemüsehändler um die Ecke, deren Zahl in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, wird es eng, ist er sicher. Was die Konkurrenz der Supermärkte angeht, ist er auf der Hut: „Wir müssen und werden ständig etwas Neues bieten, um am Markt zu überleben.“

Eine Maxime, die sich auch Hakan Can von Can Supermarkt zu Herzen nimmt. Der Jungunternehmer, der nach seinem neuen Stammsitz am Hasenbuck vor kurzem eine Netto-Filiale in der Südstadt übernommen hat, setzt auf neues Zielpublikum. Während er in Fürth erfolgreich griechische Waren absetzt und in der Südstadt asiatische und russische Artikel ins Sortiment genommen hat, will er am Hasenbuck auch deutsche Waren verkaufen.

Doch das läuft fürs Erste holprig an: Seine überwiegend ausländische Kundschaft vom früheren Standort am Pferdemarkt konnte Can zwar mitnehmen. Aber obwohl er mehr deutsche Artikel führt als die meisten türkischen Konkurrenten zusammen, kommt der frühere Edeka-Markt, den er für viel Geld renoviert und um Gastronomie und Bäckerei erweitert hat, bei einigen im Stadtteil nicht gut an: Sie hatten sich eine Neuauflage des glücklosen Vorgängers, also einen Vollsortimenter, erhofft.

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© Michael Matejka

Auf Filialen setzt auch Ümit Akkoyun, der vor vier Jahren den Anadolu Markt in der Südstadt übernommen hat und eine Zweigstelle in Schwandorf betreibt. Die sei klein, verglichen mit dem Supermarkt in Nürnberg, sagt der Unternehmer. An dem rund 1700 Quadratmeter großen Standort haben neben dem üblichen türkischen Lebensmittelangebot inklusive Metzger und Hausbäckerei auch ein kleines Café sowie eine Haushaltswaren- und Teppichabteilung Platz.

Der größte Unterschied zur Konkurrenz: Akkoyun kann seinen Kunden trotz zentraler Lage mitten in der Südstadt während des Einkaufs auch Stellplätze bieten. „Wir sind der einzige türkische Supermarkt mit Parkhaus“, sagt er mit Blick auf das Musik-Klier-Parkhaus nebenan und lacht. Gute Laune ist für Akkoyun, der wie viele Supermarkt-Betreiber noch selbst mitarbeitet in seinem Laden, auch unerlässlich — vor allem beim Befüllen der Regale: Denn türkische Familien kaufen gern eine Nummer größer ein. Da werden nicht nur Obst und Gemüse gleich kistenweise verstaut oder ein ganzes Lamm bestellt. Viele abgepackte Lebensmittel kommen ebenfalls in XXL daher — von der 4,5 Kilo schweren Tomatenmark-Konserve bis zum Joghurt im 10-Liter-Eimer. Das geht aufs Kreuz.

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© Michael Marejka

Selbst bei Gün Markt, ebenfalls in der Südstadt gelegen und flächenmäßig einer der kleineren türkischen Supermärkte, lautet die Devise, „größer ist besser“. So etwa bei den Tees, die Ebru Gündoðdu gerade ins Regal einsortiert. Statt handlichen Portionen und Teebeuteln dominieren hier großer Gebinde — bis hin zu kissengroßen Paketen des bei Türken so beliebten Getränks.

Obwohl sich seit der Eröffnung von Gün Markt 2004 die Anzahl der Konkurrenten im Stadtgebiet mehr als verdoppelt hat, sieht Nazif Gündoðdu die Marktlage weiter gelassen. Zum einen setzt er auf treue Stammkundschaft, die in der multikulturellen Südstadt längst nicht nur aus Türken besteht. Zum anderen hat er Vertrauen in sein Schicksal: „Jeder verdient halt so viel, wie es ihm vorbestimmt ist.“

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