Ultras Nürnberg: Dafür verachten sie den DFB

22.8.2017, 05:58 Uhr
Ultras Nürnberg: Dafür verachten sie den DFB

© Foto: Sportfoto Zink

Es war der Fußball, der den Deutschen nach dem Ende der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft erstmals wieder einen Grund gab, so etwas wie Stolz für ihr Land zu empfinden. Die legendäre Elf von Trainer Sepp Herberger holte 1954 den Weltmeistertitel in Bern. Heute erinnert das Nürnberger Max-Morlock-Stadion an einen der Schlüsselspieler dieser einzigartigen Mannschaft. Der Sport aber hat sich seitdem drastisch verändert. Wie so viele Gesellschaftsbereiche ist auch der Fußball längst bis in den letzten Winkel durchkommerzialisiert. Spieler wechseln für obszöne Summen den Arbeitgeber, Fans können die Spiele der Bundesliga nahezu ausschließlich im Pay-TV verfolgen und das Produkt Nationalmannschaft wird offensiv vermarktet.

Bei vielen Fans hält sich die Begeisterung über diese Entwicklung in engen Grenzen – so auch bei den Ultras, die am Sonntag vor dem Heimspiel des Clubs gegen Union Berlin zu einer Informationsveranstaltung luden. Anlass der Zusammenkunft war zum einen, die Forderungen der Fanszene zur Reform der Bundesliga in die Öffentlichkeit zu tragen, zum anderen wollten die Nürnberger Ultras im Streit mit dem DFB Position beziehen. Nach einem Treffen von DFB-Vertretern mit Ultras zahlreicher Bundesligavereine Ende Juli in Dresden, machten die Fans gegen den Verband mobil.

Ultras Nürnberg: Dafür verachten sie den DFB

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Harte Worte gegen den DFB

"Es gibt seit Jahren Dialoge mit dem DFB, er hat uns Fans aber nie ernst genommen", berichtet der Ultras-Vertreter vor den 500 Interessierten in der Sporthalle am Valznerweiher. Der Mann am Mikrofon ist Mitte 30, seinen Namen will er aus beruflichen Gründen nicht verraten. Seine Worte richten sich ausdrücklich nicht gegen den 1. FC Nürnberg, sondern gegen den DFB. In den vergangenen Monaten sei das Fass seitens des Verbandes zum Überlaufen gebracht worden. Der Fanvertreter kritisiert etwa den Auftritt von Helene Fischer beim Pokalfinale in Berlin, die weitere Zerstückelung der Spieltage und die Teilnahme der chinesischen "U 20" am Spielbetrieb der deutschen Regionalliga Südwest. Außerdem lehnen die Ultras Relegationsspiele ab, da diese den Erstligisten für eine schwache Saison belohnen und den Aufstieg kleinerer Klubs in die Bundesliga erschweren würden. "Diese Dinge gehen alle Fans an, nicht nur uns Ultras", betonte der Redner. "Wir Fans machen einen großen Teil des Produkts aus, das DFL und DFB verkaufen."

Das Rad der Zeit werde man zwar kaum zurückdrehen können, räumt der Hardcore-Fan in seinem 45-minütigen Vortrag ein, "doch wenn wir schon zerstückelte Spieltage haben, warum kann man den Spielplan nicht so organisieren, dass Auswärtsfans am Montagabend nicht durch die halbe Republik reisen müssen?", fragt er. Darüber hinaus wünscht er sich die konsequente Umsetzung des 50+1-Regel, gerade auch gegenüber Klubs wie RB Leipzig.

Zuversichtlich im Dialog

Die Sportgerichtsbarkeit des DFB soll an Einfluss verlieren und die Ultras wollen eine Garantie des DFB, das Pokalfinale immer in Deutschland stattfinden zu lassen. In anderen Ligen gebe es bereits Überlegungen, solche Partien in lukrative Märkte, wie etwa China, zu verlegen. Die vorläufige Aussetzung der Kollektivstrafen durch DFB-Präsident Reinhard Grindel beurteilt man in der Ultraszene zurückhaltend.

Man wolle sich nicht blenden lassen, heißt es – trotzdem sei man zuversichtlich, dass man im Dialog Fortschritt erreichen könne. Wie sich die Ultras verhalten wollen, sollte der DFB weitere ihrer Forderungen erfüllen, bleibt indes unklar. Einen Verzicht auf Pyrotechnik hält der Redner auf Nachfrage für in den eigenen Reihen schwer durchsetzbar. "Außerdem tun wir ja schon was. Wir sorgen zum Beispiel für eine fantastische Atmosphäre und engagieren uns auch gegen Rassismus", sagt er. Dennoch wird der DFB zusätzliche Gegenleistungen verlangen, falls er den Ultras Zugeständnisse macht.

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