Usutu-Virus tötet mehr Amseln als je zuvor: Das sagt Expertin

20.9.2018, 05:54 Uhr
Im Nürnberger Raum ist die Zahl der Amsel stark zurück gegangen. Schuld ist der Usutu-Virus.

© Martin Gerten (dpa) Im Nürnberger Raum ist die Zahl der Amsel stark zurück gegangen. Schuld ist der Usutu-Virus.

Im August ist das Virus ausgebrochen. Wie dramatisch ist die Lage?

Sonja Dölfel: Für Nürnberger, die eine Futterstelle im Garten haben und regelmäßig die Vögel beobachten, sowie für den heimischen Amselbestand gestaltet sich die derzeitige Situation dramatisch. Die Zahl der Amseln ist im Nürnberger Raum stark zurückgegangen. Aber mit Blick auf die Population sieht die Lage anders aus; die Vogelart ist nicht gefährdet, der Bestand wird sich im Laufe der nächsten Jahre wieder erholen. Denn in einem Gebiet mit Usutu-Virus sterben nie alle Amseln, es handelt sich in gewisser Weise um eine natürliche Selektion: Die Amseln, die eine Infektion haben und überleben, werden nicht noch einmal erkranken.

Einige Tiere entwickeln also Resistenzen?

Dölfel: Ja, sie bilden Antikörper, die jedoch nicht auf die nächste Generation vererbbar sind. Der Erreger wird durch eine auf Vögel spezialisierte Stechmücke übertragen. Infizierte Tiere können Resistenzen gegen dieses neue Virus entwickeln, das erstmals 2011 in Deutschland ausgebrochen ist. Es muss sich nicht zwangsläufig um eine tödliche Infektion handeln.

Usutu-Virus tötet mehr Amseln als je zuvor: Das sagt Expertin

© Foto: F. Lauer

Welche Tiere sind betroffen?

Dölfel: Vor allem sind es Amseln, bei denen diese Krankheit festgestellt wird, deshalb wurde die Usutu-Epidemie auch als "Amselsterben" bekannt. Diese Tiere und auch Eulenvögel sind besonders empfänglich. Allerdings können auch andere Vogelarten - wie etwa Singdrosseln, Meisen und Finken - an der Infektionskrankheit sterben, das passiert jedoch wesentlich seltener. Bei den ersten vier toten Vögeln im Nürnberger Raum, bei denen das Virus nachgewiesen wurde, handelte es sich um zwei Amseln, einen Kleiber und einen Bartkauz.

Wie schaut es aktuell mit der Ausbreitung des Erregers aus?

Dölfel: Laut dem Naturschutzbund Deutschland (Nabu) sind Niedersachsen, Bremen und Hamburg sowie die Region um Nürnberg stark betroffen. Die warmen Temperaturen dürften die Ausbreitung des ursprünglich tropischen Virus begünstigt haben. Der Nabu spricht deutschlandweit von über 23.775 betroffenen Vögeln in diesem Sommer. Dabei handelt es sich um reine Verdachtsfälle, die toten Tiere wurden also nicht virologisch untersucht. Die bisher für 2018 gemeldeten Tiere übertreffen deutlich die Zahlen aus den Vorjahren. So heftig wie in diesem Sommer hat dieses Virus noch nie gewütet. Die aktuelle Zahl der nachgewiesenen Fälle liegt laut dem Friedrich–Loeffler-Institut bundesweit bei rund 300. In Bayern ist bei 25 toten Vögeln der Erreger nachgewiesen worden - darunter bei neun Kadavern, die aus Nürnberg stammen, vermeldet das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.

Welche Rolle spielt dabei der Klimawandel?

Dölfel: Mit Blick auf die steigenden Temperaturen ist er sicherlich ein entscheidender Faktor. Denn Hitze begünstigt die Virenvermehrung innerhalb der Mücke: Je höher die Virenkonzentration in der Mücke ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Vogel ansteckt. Das heißt aber zugleich, dass nicht jeder gestochene Vogel zwangsläufig infiziert ist.

Wie geht es nun weiter?

Dölfel: Mit dem Ende der Mückenzeit ab Oktober erwarten wir ein Abflauen des Amselsterbens. Spannend wird es bei unserem Bürgerprojekt "Stunde der Wintervögel", das vom 4. bis zum 6. Januar 2019 wieder zur Vogelzählung einlädt. Dann werden wir erfahren, inwieweit sich die Viruserkrankung auf den heimischen Vogelbestand ausgewirkt hat.

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