Verfolgungsjagden in Franken: Polizisten am Limit

20.10.2017, 06:00 Uhr
Anfang Oktober verlief eine Verfolgungsjagd in Nürnberg folgenschwer.

© ToMa Anfang Oktober verlief eine Verfolgungsjagd in Nürnberg folgenschwer.

Die Frau erlitt schwerste Verletzungen, war im Autowrack eingeklemmt. Die Feuerwehr befreite die 33-Jährige, der verletzte Fahrer konnte selbstständig aus dem zerstörten Mitsubishi klettern. Beide mussten in die Klinik. Es ist das Ende einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd mit Blaulicht und Martinshorn gewesen, die am 3. Oktober in Fürth an der Jakobinenstraße ihren Anfang nahm und in Nürnberg an der Schwabacher Straße auf einem Firmengelände endete. Zwei unbeteiligte Radfahrer und ein Fußgänger entgingen dabei nur knapp einem Unglück. Der Grund der Flucht, bei der die beteiligten Fahrzeuge mit bis zu 170 Kilometer pro Stunde durch die beiden Städte rasten, war bald geklärt: Die Polizei fand in dem komplett zerstörten Auto verbotene Messer, einen Teleskopschlagstock, eine Schreckschusspistole, einen Elektroschocker - und Rauschgift.

Bei einer anderen Verfolgungsjagd wenige Wochen zuvor am 24. August brachen die Polizisten den Einsatz ab. Er war zu gefährlich geworden, Unbeteiligte hätten zu Schaden kommen können. Auf dem Autohof Schnaittach wollte die Verkehrspolizei Feucht einen Honda CR-V kontrollieren. Als der Fahrer die Beamten sah, trat er auf Gaspedal - und die Streife hinterher. Mit extrem hoher Geschwindigkeit raste der Verfolgte nachts auf der Autobahn Richtung Nürnberg, schaltete die Scheinwerfer aus und überholte Lkw-Kolonnen auf dem Seitenstreifen. Mit bis zu 130 Kilometer pro Stunde war der Flüchtende und seine Verfolger dann im Stadtgebiet Nürnberg unterwegs, ignorierte alle Verkehrsregeln. Im Stadtteil Eibach brach die Polizei die Verfolgung schließlich ab. Vom Fahrer fehlt bis heute jede Spur.

Die Polizei als Exekutive des Staates hat bestimmte hoheitliche Aufgaben. Die rechtlichen Grundlagen dafür liefert die Straßenverkehrsordnung (StVO) unter den Paragrafen 35 und 38. Die Polizei ist demzufolge berechtigt, bei Einsätzen mit Blaulicht und Martinshorn, gegen die Regeln der Straßenverkehrsordnung zu verstoßen. Das bedeutet, dass die Polizei gemäß Sonderrecht bei der Verfolgung eines Flüchtenden auch Gehwege und rote Ampeln überfahren darf. Für solche gefährlichen Fahrten müssen angehende Beamte fit gemacht werden.

Uni Würzburg will helfen

Während ihrer zweieinhalbjährigen Ausbildung müssen alle Anwärter in Bayern das Fahrtraining bei der 7. Bereitschaftspolizeiabteilung in Sulzbach-Rosenberg durchlaufen. Hier trainieren sie den Ernstfall, unter anderem an einem von der Uni Würzburg entwickelten, computergestützten Fahrsimulator. 

Der Simulator: Auf einer Plattform, die in einer Halle steht, ist ein präpariertes Einsatzfahrzeug montiert. Mehrere Hubstangen bewegen die Plattform und sorgen für ein möglichst echtes Fahrgefühl im Fahrzeug. "Hier werden Fliehkräfte und Bremswirkungen simuliert", erklärt Ausbilder Günter Neumann. In einem Nebenraum beobachten Trainer an Monitoren, wie der Proband den Wagen durch die schwierigen Verkehrssituationen steuert. "Das Programm des Simulators bietet Fahrten auf der Autobahn, Bundesstraße oder in der Stadt", so Neumann.

Es macht Rums im Simulator

Auch Tageszeiten lassen sich einstellen und Witterungsbedingungen: Fahrten bei Schnee, Nässe, auf Laub oder auf vereisten Straßen. Auch alle möglichen Schikanen lassen sich einbauen: Ein stehender Bus mit Warnblinkanlage, an dem man vorbei muss ohne ein- und aussteigende Personen zu gefährden, unübersichtliche Kreuzungen, rote Ampeln. Übersieht der Polizeischüler etwas, kommt es zu einem Unfall - es macht Rums im Simulator. Im Nachgang besprechen die Trainer mit den Probanden die aufgezeichnete Fahrt, was lief gut, was schlecht.

Statistiken über polizeiliche Verfolgungsfahrten und Unfälle, die daraus folgten, werden nicht geführt, heißt es im bayerische Innenministerium. Pressesprecher Michael Siefener: "Der Einsatz von Blaulicht und Martinshorn darf nur unter gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erfolgen und befreit grundsätzlich nicht von den Strafvorschriften oder der Schadenshaftung." 

6 Kommentare