Vesperkirche ist nun Ort der Begegnung und Speisesaal

18.1.2016, 10:27 Uhr
Knapp 500 Mahlzeiten gingen nach dem Gottesdienst in der Vesperkirche über die Theke.

© Stefan Hippel Knapp 500 Mahlzeiten gingen nach dem Gottesdienst in der Vesperkirche über die Theke.

Nach dem Gottesdienst einen Schweinebraten zu verzehren, ist vielleicht in Deutschland gar nicht so unüblich. Dass man das noch in der Kirche selbst tut aber schon. Knapp 500 Mahlzeiten gehen zum Auftakt der Vesperkirche über die Theke, das ist weniger als erwartet, was aber die gute Laune bei den Organisatoren nicht trüben kann. „Besser so, als wenn wir zu wenig Essen gehabt hätten“, meint Vikarin Nina Mützlitz. Sechs Wochen lang wird es in der evangelischen Gustav-Adolf-Gedächtniskirche (Allersberger Straße 116) jetzt mittags ein warmes Mittagessen für den symbolischen Preis von einem Euro geben. Darüber hinaus stehen bereits ab 10.30 Uhr warme Getränke bereit, sie sind wie alle anderen zusätzlichen Angebote kostenfrei.

Maly kommt darauf zu sprechen, dass angesichts großer Armut auch in einem reichen Land wie Deutschland ein solches Projekt mehr als sinnvoll erscheint. "Die Gesellschaft wird auf Dauer nicht überleben können, wenn die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht." Doch für ihn hat die Vesperkirche auch in anderer Hinsicht eine wichtige Funktion – denn die Tische vor dem Altar laden zur Kommunikation ein und bieten Abwechslung für Menschen, die sonst vielleicht "einsam und allein vor dem Bildschirm sitzen und sich aus einer Pappschachtel ernähren würden". Michael Bammessel, Chef der Diakonie Bayern, schlägt später im NZ-Gespräch in dieselbe Kerbe: "Ich denke, dass viele aus Kontaktarmut herkommen werden und sich freuen, mit anderen am Tisch sitzen zu können."

Kirchenburg öffnet sich den Menschen

„Die Kirchenburg“, sagt Pfarrer Bernd Reuther mit Blick auf die doch arg pompöse Architektur der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche, „wird nun zum offenen Raum für alle Menschen.“ Reuther, treibende Kraft hinter der Vesperkirchen-Idee, spielt sich in einer unterhaltsamen und doch tiefgründigen Predigt gemeinsam mit Regionalbischof Stefan Ark Nitsche die Bälle zu. "Das hat Spaß gemacht", sagt er später.

Die Zahl der ehrenamtlichen Helfer ist noch einmal nach oben gegangen, knapp 300 Menschen haben sich inzwischen gemeldet. Darunter ist Annemarie Kraft, die es gut findet, "wenn in der Kirche nicht nur geredet, sondern auch handfest etwas getan wird". Auch Günter Gloser, früherer SPD-Bundestagsabgeordneter, will mithelfen und hält die Vesperkirche gerade in der sozial schwierigen Südstadt für ein wichtiges Angebot. „Ich bin katholisch“, schickt Josef Oßberger lächelnd voraus, als er Reuther zu dem gelungenen Gottesdienst gratuliert – doch das mindere freilich keineswegs seine Begeisterung für das Projekt.

Viel Solidarität erfährt Reuther auch von den evangelischen Südstadt-Gemeinden, die ihre Gottesdienste für diesen 17. Januar abgesagt und ihr Klientel stattdessen in die Vesperkirche geschickt haben. Darunter die Emmaus-Kirche in der Gartenstadt. Der Pfarrer dieser Gemeinde, Michael Boronowsky, lässt sich einen Schweinebraten schmecken und freut sich über den „sehr schönen Gottesdienst“. Er zieht den Hut angesichts des ambitionierten Projekts: "Hochachtung vor dem Kollegen. Das wird ihm wohl schon schlaflose Nächte bereitet haben. Aber es hat ja alles wunderbar geklappt."

Fariba Ramazani, die die vegetarische Alternative (einen Blumenkohlauflauf) dem Braten vorgezogen hat, lebt als Asylbewerberin in Nürnberg. „Mir gefällt es hier in der Vesperkirche, ich werde meinen Freunden davon erzählen“, sagt die aus dem Iran stammende junge Frau. Verena Osgyan, Landtagsabgeordnete der Grünen, findet es schön, dass auch „viele Kinder herumwuseln“ – in der Vesperkirche gibt es eine Kinderecke für den Nachwuchs. Zudem liegen täglich 40 bis 50 Ausgaben der Nürnberger Zeitung auf, die NZ fungiert als Medienpartner des Projekts.

Normal schließt die Einrichtung um 15.30 Uhr, doch zum Start bleibt sie länger geöffnet, weil sich sonntags ab 17 Uhr stets noch eine Kulturveranstaltung anschließt – das Hilde-Pohl-Trio tritt zum Auftakt auf. Am Montag begann dann der Alltag in der Vesperkirche, bis 28. Februar wird das Team nun unter Strom stehen. Den Anspruch, dass sechs Wochen lang alles reibungslos funktioniert, hat Reuther dabei nicht: "Es gibt nie das Perfekte in der Welt, sondern immer nur das, auf das wir uns zubewegen."

Wer ehrenamtlich mithelfen will, kann sich melden unter * 01 57/ 73 74 87 79. Immer erwünscht sind Kuchenspenden, vormittags ab 9 Uhr können diese vor Ort in der Kirche abgegeben werden. Weitere Informationen finden sich im Internet: www.vesperkirche-nuernberg.de

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