Videotheken in Nürnberg: Eine Branche stirbt aus

4.8.2015, 16:42 Uhr
Auch in Nürnberg gibt es immer weniger Videotheken - die Kunden wandern mehr und mehr ins Netz zu Streamingportalen.

© Edgar Pfrogner Auch in Nürnberg gibt es immer weniger Videotheken - die Kunden wandern mehr und mehr ins Netz zu Streamingportalen.

Hans-Peter Löschers Laden wirkt wie aus der Zeit gefallen: Das Weiß der Wände ist angegraut. Das Türkis der Regale würde heute niemand mehr als Akzentfarbe setzen. In ihnen stehen mit viel Raum links und rechts, wie auf kleinen Altären, die DVDs und Blue-Rays, die Löscher verleiht. Der 47-Jährige betreibt eine der letzten Videotheken Nürnbergs. In den 90ern gab es noch fünfzig bis siebzig, sagt Löscher: „In fast jeder größeren Straße war ein Videoverleih.“ Heute sind es in ganz Nürnberg nur noch drei; erst vor einem halben Jahr wurde ein Laden in der Frankenstraße geschlossen.

In den achtziger Jahren hatten Videotheken ein Schmuddel-Image. Wenn sie nur einen Horror- oder Porno-Film im Programm hatten, durfte niemand den Laden betreten, der nicht volljährig war. Löschers Laden ist jedoch eine Familien-Videothek, solche Filme gibt es nur in einem Séparée, wo eine zweite Kassentheke steht.

Vor der Jahrtausendwende hatten Videotheken ihre Blütezeit. Dann kamen die Tauschbörsen. Kinofilme wurden mit der Kamera im Saal aufgezeichnet, und illegal im Netz getauscht. Als das immer gefährlicher wurde, weil Filmstudios dazu übergingen, immer mehr Filmpiraten abzumahnen, stiegen Nutzer auf kostenlose Streamingdienste wie kinox.to um. Die finanzieren sich mit Werbung – sind aber weiterhin illegal. „Seit 2002 geht die Zahl der Videotheken zurück“, sagt Jörg Weinrich vom Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland: Aktuell gibt es noch 1544 in Deutschland, davon 224 in Bayern. Vor sechs Jahren waren es noch doppelt so viele, sagt der Experte.

Die Lastwagen der Datenautobahn

Doch inzwischen gibt es immer mehr legale Angebote im Netz: Netflix, Watchever, Maxdome – so heißen die Großen im Streaminggeschäft. Sie bieten gegen eine Pauschalgebühr Zugriff auf ihre gesamte – aber oft ältere – Filmdatenbank. Manche Anbieter wie iTunes oder Google Play haben sich darauf spezialisiert, Downloads aktueller Filme zu verleihen oder zu verkaufen. „Das ist dann teurer als in der Videothek“, sagt Löscher. Aber eben auch bequem, kurzfristig und oft sogar direkt am Fernseher möglich. Und das lästige Zurückbringen der DVD entfällt auch, wie allerdings überhaupt jedes haptische Erleben.

Löscher findet, dass der Leihfilm durchaus Vorteile hat: Man könne zum Beispiel 3D-Filme sehen, die gibt es nämlich nicht bei Netflix und Co. Oder: „Wenn man einen Film streamt, dann wird das Abspielen manchmal unterbrochen, weil der Film nicht vollständig geladen ist.“

Wer einen Film streamen möchte, der braucht eine schnelle Internetverbindung. Videodaten verursachen ein hohes Datenaufkommen. „Onlinevideotheken sind die Lastwagen auf der Datenautobahn“, sagt Wolfgang Wölfle vom Telekomanbieter M-Net. Früher verdoppelte sich der Internetverkehr alle zwei Jahre, jetzt verdopple er sich alle neun Monate. Grund dafür ist auch der Zuwachs an Netzvideotheken. „Innerhalb weniger Wochen nach Marktstart in Deutschland war Netflix eine der größten Verkehrsverursacher in unserem Netz“, sagt Wölfle. In der Metropolregion Nürnberg hat der regional tätige Telekommunikationsanbieter 45.000 Privatkunden.

So viele Menschen gehen heute in Nürnberg nicht mehr in Videotheken, auch weil sie es nicht mehr müssen. Videotheken haben ihre Monopolstellung verloren. Früher gab es, nachdem ein Film im Kino anlief, eine Schutzzeit, in der er nur für den Verleih verfügbar war. Wer den Film sehen wollte, musste zu Löscher in die Videothek. Doch mit ihrem Monopol auf aktuelle Filme verloren Videotheken für viele Kunden ihre Nützlichkeit. Das weiß auch Hans-Peter Löscher: „Meinen Laden wird es nicht mehr geben, wenn ich in Rente gehe.“

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