Viel los in und um St. Sebald: Nürnberg feiert die Reformation

1.7.2017, 18:55 Uhr
Viel los in und um St. Sebald: Nürnberg feiert die Reformation

© Wolfgang Heilig-Achneck

Musiker, Gaukler und Rittersleute, kirchliche Würdenträger, Patrizier und gemeines Volk in schmucken Kostümen: Auf dem Platz vor der Sebalduskirche versetzte ein buntes Historienspektakel für die ganze Familie die Besucher in die Zeit vor 500 Jahren. Die evangelische Kirche in Bayern feierte in Nürnberg, der „evangelischen Hauptstadt“ im Freistaat, das Reformationsjubiläum als zentrales Fest für Bayern.

Die Bedeutung der Reformation für Geschichte und Kultur – nicht nur in Deutschland – sei kaum zu überschätzen, meinte der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in seiner Predigt zu Begin der Feierlichkeiten. Dennoch sei es zunächst und vor allem eine religiöse Erneuerungsbewegung mit einem Aufruf zur Neuentdeckung von Christus und der Bibel gewesen. "Und niemand soll sagen, das sei Schnee von gestern. Wir sind auch heute umgeben von strafenden und gnadenlosen Göttern, auch wenn sie nicht mehr so genannt werden", sagte der Theologe und nannte als Beispiel den immensen Druck, der von falschen Körperidealen ausgeht.

Auch bei allem Einsatz gegen Ungerechtigkeit in der Welt und die Zerstörung der Schöpfung dürfe die Barmherzigkeit – mit sich selbst und anderen – nicht zu kurz kommen. Reformation sei auch deshalb "nicht einfach nur Vergangenheit, an die man sich mühevoll erinnern müsse, sondern in ihren Auswirkungen auch heute mit Händen zu greifen, gerade in Nürnberg". Bestes Beispiel: das Melanchton-Gymnasium als höhere Bildungsstätte dieser Art in Deutschland – und damit ganz allgemein das Bewusstsein für den Wert von Bildung.

Seinen Glauben ernst zu nehmen, sei keine leichte Sache, mahnte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. "Wir hätten Jesus immer gerne als Softie und nicht als Hardliner." Der Einsatz für Gerechtigkeit und Friede könne aber auch zum Kreuz führen. Das Reformationsjubiläum mitzufeiern, sei für katholische Christen kein Ausdruck bloßer Höflichkeit und von "ecclesiastical correctness", sondern "wichtig, notwendig und hilfreich". Die Kirchenspaltung zu überwinden, sei "uns von Christus aufgetragen".

Mit einer kleinen Protesteinlage forderte die Evangelische Jugend Nürnberg mitten im Gottesdienst, kurz vor den Fürbitten, einen Stopp der Abschiebungen nach Afghanistan – und setzte damit das einzige wirklich politische Signal des Tages. Nach dem Gottesdienst übergab die EJB-Vorsitzende Paula Tiggemann dem Landesbischof – in Anlehnung an Martin Luthers 95 Thesen – unter dem Motto „Reformation reloaded“ 95 neue Thesen. "Und wir wollen auf die Erfüllung und Umsetzung nicht 95 Jahre warten", forderte die Sprecherin.

Augenzwinkernde Würdigung

Bei einem Festakt im Rathaus unterstrichen Kultusminister Ludwig Spaenle und Innenminister Joachim Herrmann die Bedeutung der Reformation auch für die bayerische Geschichte. "Wenn man Herrn Spaenle reden hört, könnte man sogar fast meinen, die Reformation sei eine bayerische Erfindung", würdige Bedford-Strohm augenzwinkernd die rhetorischen Bemühungen der Politiker. Herrmann hob unter anderem Leistungsbereitschaft und Fleiß, aber auch Solidarität mit Kranken und Schwachen als Fundamente hervor, die auch aus protestantischen Wurzeln entstanden.

Schon 1525 hatte sich Nürnberg nach einer Art Hearing im Rathaus als erste Freie Reichsstadt im Land zur neuen Lehre bekannt. "Damals wurde bei offenen Fenstern beraten, damit das Volk draußen mitbekam, was diskutiert wird", würdigte Oberbürgermeister Ulrich Maly die Transparenz. Die Stadt sei deshalb der passende Schauplatz für das Reformationsfest. Ministerpräsident Horst Seehofer, der zu dem gemeinsamen Empfang von Staatsregierung und Stadt eingeladen hatte, war durch die Teilnahme an der europäischen Trauerfeier für Altkanzler Helmut Kohl jedoch verhindert.

Auf dem Sebalder Platz verbreiteten allein schon die Schauspieler und Statisten der Klosterhofspiele aus Langenzenn historisches Flair, die in diesem Sommer ein Luther-Stück auf die Bühne bringen. Dazu eine Rittertruppe aus Füssen und verschiedene Ensembles, die mit Renaissancemusik und entsprechenden Anleitungen auch zum Tanzen einladen. Und dreimal stimmen Turmbläser ihre Fanfaren hoch oben auf St. Sebald an.

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