Von der Kellerbühne nach Europa: Indie-Rock-Band Langtunes

10.1.2015, 10:00 Uhr
In Nürnberg nahmen Behrooz (mit Hut) und seine Bandkollegen ihr erstes offizielles Album "Teherantor" auf.

© Foto: PR In Nürnberg nahmen Behrooz (mit Hut) und seine Bandkollegen ihr erstes offizielles Album "Teherantor" auf.

Anders als bei seinen Altersgenossen im Westen ist Musik für Behrooz Moosavi kein Gut, das selbstverständlich zur Verfügung steht. Der 29-Jährige musste schon immer selbst aktiv werden, um den Sound zu kriegen, nach dem sein Herz lechzt. „Bei euch im Westen bedeutet Underground alles, was nicht Mainstream ist“, erzählt der junge Mann in perfektem Englisch.

Mit Bart, hautengen Röhrenjeans und seinen schwarzen langen Locken sieht Behrooz aus wie ein Indie-Rocker aus dem Lehrbuch. Und strahlt trotzdem etwas Exotisches aus. „Bei uns im Iran gibt es nicht mal einen Mainstream, keine Clubs und keine Plattenfirmen. Bei uns ist alles Underground!“ Die Langtunes kommen aus einem Land, wo Rock nicht stattfindet. Direkt verboten ist diese Musik im Iran nicht – es gibt sie offiziell nur einfach nicht.

Nicht auf CD und nicht im Radio und schon gar nicht live. Auch ins Internet kommen die meisten Iraner nur über Tricks und Umwege. Der Großteil des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens des Landes spielt sich im Privaten ab, trotzdem scheint jeder alles zu kennen. Und: Unter dem Deckel brodelt eine lebendige Szene.

Gegen alle Widerstände

Behrooz erzählt von iranischen Rappern, deren selbst produzierte Videoclips auf YouTube millionenfach geklickt werden. Und von Death-Metal- Bands, die allen Widerständen zum Trotz fleißig proben, ohne dass eine realistische Chance besteht, dass sie es mit ihrer Musik jemals aus dem Keller hinaus in die Welt schaffen.

Die Langtunes haben diesen Sprung gewagt. Für ihren ersten Auftritt zimmerten sie sich ihre eigene Bühne und rockten in einem Garten außerhalb der Hauptstadt vor Freunden ab. Der zweite Auftritt fand in einer Musikschule in Teheran statt – unter Aufsicht. Das Publikum musste sich hinsetzen, die Musiker auf der Bühne waren angehalten, nur zu spielen und sich nicht groß zu bewegen.

„Ich will aber abrocken“, sagt Behrooz, der übrigens kein schlechtes Wort über seine Heimat verliert. Das größte Vorurteil über den Iran ist, „dass dort lauter Selbstmord-Attentäter leben und ständig Bomben hochgehen. Doch im Iran gab es seit Jahren keinen Anschlag. Mag sein, dass mein Heimatland den Terror exportiert – zu Hause ist es jedoch total friedlich und sicher. Außerdem sind die Menschen unglaublich gastfreundlich und freuen sich, wenn sie Touristen sehen.“

Vor sieben Jahren gründete der Sänger und Gitarrist mit Kamyar Keramati (Gitarre, Synthesizers), Garen Abnous (Bass) und Sam Ziai (Schlagzeug) die Langtunes. Vorbild waren Indie-Rock-Bands wie The Strokes, Franz Ferdinand, Interpol und die Arctic Monkeys. So einen Sound wollten die vier auch spielen: wild, laut, verrückt und tanzbar, mit viel Melodie und zwischenrein knallig-pumpender, schön harscher Elektronik.

Schnell war den Musikern klar: Wenn ihre Band jemals einen Stich machen will, dann muss sie raus aus dem Iran. So zogen die Musiker 2012 nach Istanbul und spielten dort eine Handvoll Konzerte, die gut ankamen.

Auftritte in Franken

Von der Türkei aus buchten sich die jungen Männer via Internet eine erste kleine Europatour zusammen. So verschlug es die Langtunes nach Deutschland und über weitere Kontakte nach Nürnberg. Hier schlugen sie ihre Zelte bei der umtriebigen Promoterin Elnaz Amiraslani auf, die selbst Perserin ist.

Das Quartett nutzte seine Zeit in Franken, um seine erste offizielle CD „Teherantor“ einzuspielen – im Studio von Hannes Hümmer (Stadt aus Draht) im alten Quelle-Gebäude. Auf dem Album finden sich alte und neue Lieder, die klingen, als käme die Band aus England oder Deutschland: stilsicherer Indie-Rock mit starker Elektronik-Schlagseite, der auch ohne Exotenbonus vom Fleck weg zündet.

Ein weiteres Highlight in Deutschland war das gemeinsame Konzert mit der israelischen Hardcore-Klezmer-Kapelle Ramzailech im Club Stereo in Nürnberg – eine weitere Geschichte, die bei den Langtunes zu Hause undenkbar ist. Aber auch, wenn es wie ein Klischee klingt: Musik kann Brücken schlagen. Erst rockten die Musiker aus den offiziell verfeindeten Ländern mit vereinten Kräften den Club, dann feierten sie zusammen durch die Nacht.

Jetzt ist das Abenteuer erst mal vorüber. Vor ein paar Tagen sind die Musiker nach Istanbul geflogen. Ihr Aufenthaltsvisum ist abgelaufen und wurde nicht verlängert, obwohl sich sogar Nürnbergs Oberbürgermeister für sie eingesetzt hatte. Wieder ist alles unsicher. In der Türkei überlegen die vier nun, wie es weitergeht.

„In Teheran besteht die Gefahr, dass es das für uns als Band war“, sagt Behrooz. Ziel ist, nach Deutschland zurückzukehren und die Musikkarriere weiter anzuschieben. Die Sterne stehen gut: Für die ersten Sommerfestivals 2015 sind die Langtunes gebucht.

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