Vorgestellt: Die 22-jährige Artistin Yulia Galenchyk

4.1.2010, 00:00 Uhr
Vorgestellt: Die 22-jährige Artistin Yulia Galenchyk

© Iannicelli

Farbenfroh blinkt eine Lichterkette im Fenster von Yulias Wohnwagen. Es scheint, als leuchteten die Lichter besonders hell an diesem Wintertag.

Im Innern des Wohnwagens ist es wohlig warm. Ein kleiner Heizlüfter sorgt für angenehme Temperaturen. «Ich mag den Sommer lieber», sagt Yulia, während sie auf die unzähligen Pfützen vor ihrem Wohnwagen blickt. Mit ihrer Netzakrobatik-Nummer begeistert die junge Frau jeden Tag viele Zuschauer im Zirkus Flic Flac. Die zierliche Erscheinung der jungen Ukrainerin und die sportliche Freizeitkleidung lassen nicht erkennen, wie viel Kraft in ihren Armen und Beinen steckt. Seit zwei Jahren reist die Artistin aus Kiew mit dem Zirkus durch Deutschland. Neben ihrer Muttersprache spricht sie deutsch, englisch und spanisch. Ihr Freund ist Spanier und ebenfalls Artist im Zirkus.

Sieben Monate Proben für den Auftritt

Was für die Zuschauer Unterhaltung und Spannung ist, bedeutet für Yulia harte Arbeit. Sieben Monate hat sie an der Nummer mit den Vertikalnetzen gearbeitet. Das Netz ist eine Spezialanfertigung – die erste Variante war ein japanisches Fischernetz, mit dem Delfine gefangen werden. Seit vier Jahren verwendet sie ein Netz. Noch nie habe sie sich dabei verletzt. Den einzigen Unfall hatte sie mit 15 Jahren, als sie ihr Kollege bei einem Salto nicht aufgefangen hat. Damals brach sie sich die Schulter und den Ellenbogen. Zweimal musste sie operiert werden. Sorgen macht sie sich heute nur um ihren Rücken, verrät sie. Deshalb umhüllt ein weißer Wollschal ihren Körper, wenn sie nicht arbeitet.

Die Arbeit fängt für Yulia an, wenn viele Menschen bereits im Bett liegen. Meistens trainiert sie nach den Vorstellungen, wenn das Zelt noch beheizt ist. Trotzdem genießt die sportliche Frau ihr Artistenleben sichtlich. «Ich reise für mein Leben gerne und liebe es, so lange schlafen zu können», sagt sie zufrieden. Erst um drei Uhr morgens endet für sie der Tag. «Nach dem Auftritt kann ich unmöglich gleich schlafen gehen», sagt die 22-Jährige.

Nach der Show folgt das Training und danach der Feierabend. Den verbringt die Artistin mit ihrem Freund oder mit Freunden oftmals vor dem Fernseher, der in ihrem Wohnwagen direkt neben der Essecke steht. «Mal schauen wir spanische, mal englische oder deutsche Filme», erzählt sie, «und am liebsten Horrorfilme», ergänzt sie lachend.

Ihre Eltern und ihr großer Bruder leben in Kiew. Yulias Zwillingsschwester tourt, ebenfalls als Artistin, mit einem Zirkus durch Japan. Ihre Familie vermisse sie schon, «aber wenn ich meine Karriere beende, werde ich wieder nach Kiew zurückgehen», sagt sie selbstbewusst. Gerne würde sie dann als Dolmetscherin arbeiten – oder als Friseurin.

So lange sie mit dem Zirkus auf Tour ist, ist die Zirkusfamilie ihre Ersatzfamilie. «Ich verstehe mich mit allen sehr gut», sagt sie. Mit Tatjana, der Tochter der Flic Flac-Gründer Scarlett Kaiser-Kastein und Benno Kastein, sei sie aber besonders eng befreundet.

Eine halbe Stunde vor Showbeginn macht sich Yulia zum Hauptzelt auf. In einem durch Vorhänge abgetrennten Teil zieht sie sich um, macht ihre Frisur zurecht und schminkt sich. Jeder Handgriff sitzt. In nur zehn Minuten verwandelt sich die lockere 22-Jährige durch die großzügig geschminkten Augen und das knapp bemessene Lederkostüm in eine professionelle Artistin. «Nervös bin ich nur in den ersten Sekunden meines Auftritts. Da geht mir durch den Kopf, ob ich nicht irgendetwas vergessen habe», sagt sie. Nach dem Auftritt, so gibt sie zu, sei sie immer sehr erleichtert, dass alles geklappt hat.

Für Yulia ist klar, welche Voraussetzungen ein professioneller Artist mitbringen muss, damit die Auftritte reibungslos ablaufen: «Der Spagat muss sitzen und man braucht einen guten Rücken – und ein bisschen Kraft braucht man auch.»

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