"Wahlverwandtschaften" unter einem Dach pflegen

6.10.2017, 20:33 Uhr

© Eduard Weigert

Die ersten Vorbereitungen auf dem Grundstück an der Ecke Heimerich-/ Hallerstraße laufen bereits. Richtig losgehen mit dem Bau soll es mit der Grundsteinlegung im Februar 2018. Entstehen wird dann ein zweiflügeliges Gebäude, einmal fünfgeschossig, einmal mit vier Etagen plus einer großen Dachterrasse als Abschluss. Die rund 2000 Quadratmeter Wohnfläche teilen sich auf in 31 zwischen 26 und 109 Quadratmeter große Wohneinheiten. Es gibt Studentenapartments, Wohnungen für Paare und Familien. Ins Erdgeschoss zieht zudem der zweigruppige Kindergarten "Hollerbusch", der derzeit noch nebenan im Rudolf-Steiner-Haus untergebracht ist. Neu dazu kommt eine Krippe mit zwölf Plätzen. Träger ist der Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik in Nürnberg e. V.

Raum für die unterschiedlichsten Bedürfnisse zu schaffen, war ein wichtiges Ziel bei der Planung. Denn von Anfang an war den Initiatoren klar, dass sie nicht nur ein großes Haus bauen, sondern eine neue Wohnkultur entwickeln wollen. "Wir sind offen für Menschen jeden Alters, jeder Herkunft und Lebenssituation, die generationenübergreifend in einer selbst verwalteten Gemeinschaft leben und diese aktiv pflegen wollen", so beschreiben sie sich auf ihrer Internetseite.

Die Familien Beckmann, Eichenseher und Will, die durch Freund- und Verwandtschaft seit Jahren eng verbunden sind, hatten 2010 die Idee dazu. Zunächst nur für sich selbst, doch schnell wurde daraus der Wunsch, die Idee in weit größerem Stil zu verwirklichen. Sie entwickelten ein Leitbild, druckten Flyer und machten sich auf die Suche nach Mitstreitern. "Die Reaktion war überwältigend", erzählt Martin Eichenseher.

Im Dezember 2013 gründeten 30 Mitglieder eine Genossenschaft, die "Wahlverwandtschaften Nürnberg eG". Das Prinzip einer Genossenschaft: Sie gilt als juristische Person und wird Eigentümerin des Gebäudes. Jeder Genosse wird durch seine Genossenschaftsanteile Miteigentümer und Mieter in einem. Je nachdem, welche Eigenkapitalquote er einbringt, errechnet sich, welcher Mietpreis pro Quadratmeter für ihn anfällt. Bei hundert Prozent Eigenkapital sind es 8,50 Euro, bei 30 Prozent um die elf Euro.

Junge Familien gesucht

Insgesamt sind für das Projekt zehn Millionen Euro veranschlagt. Die Erstellungskosten pro Quadratmeter – darunter fallen auch alle Gemeinschaftsflächen wie Kellerräume, Garten oder die Dachterrasse – liegen somit bei rund 3000 Euro. Die Nutzung des Baugrundstückes, das im Besitz der Anthroposophischen Gesellschaft Nürnberg ist, wurde über einen Erbpachtvertrag geregelt. 48 Genossen sind aktuell bereits mit im Boot. 23 Wohnungen sind vergeben, für die restlichen acht werden vor allem noch junge Familien gesucht. Schon jetzt ist die zukünftige Bewohnerstruktur bunt gemischt. Der Jüngste ist gerade mal drei Monate alt, die Älteste wird beim Einzug – angedacht ist Sommer 2019 – über 90 sein.

Genauso viel Zeit wie in die Bauplanung haben die Genossen in die Gemeinschaftsentwicklung investiert. Wöchentliche Arbeitstreffen, gemeinsam verbrachte Wochenenden, Seminare für Gesprächskultur und gewaltfreie Kommunikation sollen dafür sorgen, dass das Miteinander von Anfang an harmonisch funktioniert. Eichenseher: "Uns ist wichtig, dass es den Menschen nicht nur ums Wohnen geht."

www.wahlverwandtschaften-nuernberg.de

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