Warten auf Dürer ist gar nicht so schlimm

1.9.2012, 18:46 Uhr
Sicherheitsleiter Josef Böhm kennt auch die Tricks der Wartenden.

Sicherheitsleiter Josef Böhm kennt auch die Tricks der Wartenden.

Peggy Thymian kam extra aus Berlin und ist auch nach fast drei Stunden noch gut gelaunt und zuversichtlich. Die Wartezeit hat sie für einen Stadtbummel genutzt, während ihre Mutter den Platz in der Schlange frei hält. Daneben sitzt Annemarie Piller auf ihrem Hocker und schmökert im Begleitbuch zur Ausstellung. „Eine interessante Erfahrung mit vielen spannenden Begegnungen“ sei das Anstehen, betont die Laibacherin. Und in der Tat, gute Stimmung dominiert das Bild, die Wartenden haben sich vereinzelt zu kleineren Grüppchen zusammengefunden, kommen miteinander ins Gespräch, es wird gelacht und gescherzt. Zur Stimmungsaufhellung trägt ganz sicher auch die Nachricht bei, dass die ursprünglich prognostizierten vier oder fünf Stunden wohl niemandem bevorstehen.

„Es ist schon fast wieder Kult, was sich draußen vor der Tür abspielt.“ Josef Böhm ist der Leiter der Sicherheit und für den reibungslosen Ablauf dort verantwortlich. Auch er freut sich über gut gelaunte Gäste und die Gelassenheit, die viele ausstrahlen. Allerdings, so mancher Kunstfreund beweist durchaus Erfindungsreichtum, geht es darum, in der Reihe aufzurücken. „Der Flieger geht, die Bahn fährt gleich los, der Hort mit dem Kleinen schließt früher oder der Hund kann nicht so lange allein gelassen werden“, zählt Böhm schmunzelnd auf. „Wir können dem Tag nicht mehr Stunden geben, aber wir versuchen, die Bedürfnisse der Besucher zu berücksichtigen.“ Deshalb öffnet man die Türen bereits vor zehn Uhr — ab etwa halb acht Uhr werden Besucher eingelassen. Um bei den Ersten dabei zu sein, campiert mancher aber auch schon seit drei Uhr nachts vor dem Eingang. Und auch abends schließt das Museum nicht pünktlich um 20 Uhr seine Pforten.

Viele in der Warteschlange wissen ohnehin, was auf sie zukommt, haben sich informiert und auf einige Stunden im Freien eingestellt. Martin Brand wollte aus diesem Grund schon vor einigen Wochen Karten im Vorverkauf erwerben, die waren natürlich längst vergriffen. „Also stehen wir nun hier und nutzen die Zeit, miteinander ausgiebig zu plaudern.“ Seine Begleitung, Kunststudentin Vanessa Gotthardt, nickt gut gelaunt, für sie ist der Besuch „ein Muss“, wie sie sagt. Und gemeinsam hier zu stehen und mit den anderen zu warten, sei doch gar nicht so schlimm wie befürchtet.

Einige Reihen vor den beiden döst Jürgen Müller vor sich hin: „Ich nutze die Gelegenheit für Meditation, ich genieße die Ruhe und die Zeit, die ich gerade für mich habe.“ Der Stuttgarter zeigt sich erstaunt, wie gelassen es um ihn herum zugeht.

Meditation und Musik

Gute Gespräche in der Warteschlange: Martin Brand und Vanessa Gotthardt haben sich viel zu erzählen.

Gute Gespräche in der Warteschlange: Martin Brand und Vanessa Gotthardt haben sich viel zu erzählen. © Sebastian Walther

Ein Zustand, den Stefanie Grätz mit Hilfe ihrer Kopfhörer erreicht, die Augsburgerin überbrückt die Wartezeit mit Rockmusik. „Melancholische Musik für den melancholischen Dürer“ hat sie dabei, passend zu ihrem Dürer-Tattoo auf der linken Wade.

Besser spät als nie, lautet bei vielen die Devise. Markus Schaffer etwa wollte schon seit Wochen gehen, „dann kamen Urlaub und die Kellersanierung dazwischen“. Auf einem Holzhöckerchen hat er Platz genommen, mit Regenjacke und Schirm für alles gewappnet. Auch Norbert Metzner hätte die Schau fast verpasst. „Also bin ich noch schnell hergekommen, aber wenn es heute nichts mehr werden sollte, dann komme ich eben morgen wieder.“ Auch Bernd Steger und seine Frau Wallburga — fünf Stunden mit der Bahn aus Hannover angereist — verblüffen mit Gelassenheit. „Wir haben uns extra über Mittag angestellt, aber die Schlange war trotzdem nicht kürzer. Das macht uns aber nichts, hier wird man ja richtig zum Dürer-Fan, wir haben so nette Menschen kennengelernt und bereits so viel Spaß gehabt, der Ausflug hat sich ja jetzt schon gelohnt“, ziehen sie nach gut zwei Stunden ganz ohne Dürer-Bild bereits eine erste positive Bilanz.

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