Warum es ohne "Großraumbüro" nicht geht

30.1.2018, 17:05 Uhr
Warum es ohne

© Stefan Hippel

Innovation, Transformation, Disruption – drei Schlagworte, die in der Vergangenheit in der Medienbranche, aber nicht nur dort für Furore gesorgt haben. Verknüpft man diese noch mit den Buzzwords "Web 2.0" oder gar "Industrie 4.0", spätestens dann ist dem Gegenüber klar, hier spricht der Fachmann über die Zukunft einer Branche, eines Landes oder gar der ganzen Welt.

Doch mit dem Blick in die Zukunft ist es bekanntermaßen so eine Sache. "Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen", wusste schon der vor nunmehr 70 Jahren verstorbene Karl Valentin und wenn man über den digitalen Wandel der vergangenen 30 Jahre nachdenkt, dann gilt diese valentinsche These mehr denn je.

Jene Menschen, die damals neben quäkenden Modems saßen und ihre Zeit vor bernsteinfarben oder grün blinkenden Bildschirmen (einfarbig, wohlgemerkt) verbrachten, waren wohl der Mehrheit im Lande ziemlich suspekt. Hätte einer dieser Computerfreaks seiner Nachbarschaft erzählt, dass es keine 20 Jahre mehr dauern wird bis Bücher, CDs, Kleidung, Reisen, Nahrungsmittel, ja sogar ganze Häuser über ein gerade mal 15 x 7 Zentimeter großes "Kasterl" bestellt werden, das man zudem noch überall herumtragen kann, er wäre wohl kurz vor der Einweisung in eine Fachklinik für Halluzinationen gestanden.

Auch die Medienbranche wollte lange Zeit nicht glauben, welche Umwälzungen sich hier abzeichneten. Spätestens mit der Präsentation des ersten iPhones im Jahr 2007 war aber aus einzelnen Bergrutschen eine Lawine geworden, die zahlreiche Branchen in die Tiefe riss oder zumindest das Unterste nach oben kehrte.

Die 1997 beim Verlag Nürnberger Presse gegründete Online-Abteilung mit dem Namen "nordbayern.de" war insofern schon ein sehr visionäres Projekt. Allerdings fehlte in der Zeitungsbranche landesweit der rechte Glaube an dieses neue Medium. Dafür waren die Umsätze mit dem bedruckten Papier viel zu hoch und die Fantasie, was in diesem Internet alles möglich wäre, nicht genug ausgeprägt, um damals schon tragfähige Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Doch die junge Internetgeneration lernte der alteingesessenen Branche innerhalb kurzer Zeit das Fürchten. Ganze Marktsegmente brachen weg und die Leserschaft der klassischen Zeitung wurde zunehmend älter, junge Leserinnen und Leser waren nur noch schwer zu gewinnen. Auch in journalistischer Hinsicht entstand neue Konkurrenz. Jeder konnte plötzlich mit geringem finanziellen Aufwand sein eigener Verleger sein und sein Nachrichten- oder Informationsangebot ins Netz stellen. Der Verlag Nürnberger Presse reagierte 2007 mit der Installation einer zentralen Online-Redaktion im sechsten Stock des Verlagsgebäudes – also quasi am höchsten Punkt des regionalen Nachrichtenhimmels.

Damit war sozusagen ein erster "Newsroom" geboren, obwohl dieses Wort damals noch niemand in den Mund nahm. Das "Großraumbüro" war für den ein oder anderen älteren Kollegen das Schreckensszenario schlechthin, für die junge Truppe der Onliner aber das Maß aller Dinge. Hier liefen über die verschiedensten Kanäle aktuellste Nachrichten ein, es wurde nachrecherchiert, telefoniert, getextet und schnellstmöglich das zusammengetragene Material ins Netz gestellt. Die Arbeit im Team war Ausgangspunkt für die steile Aufwärtsentwicklung der News-Plattform www.nordbayern.de.

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Was fehlte, war einerseits die enge Anbindung an die zentralen Ressorts des Haupthauses, andererseits der Kontakt zu den Außenredaktionen, die auch für den Online-Auftritt das nachrichtliche Rückgrat bilden. Die an mindestens 16 Stunden am Tag besetzte Online-Redaktion machte neue Kommunikationswege notwendig, damit Texte und Bilder zeitnah zur Verfügung standen. Gleichzeitig galt es zu überlegen, welche Meldungen und Geschichten für online gut geeignet sind und welches Material bleibt dem Print-Produkt vorbehalten.

Dieser hochdynamische Prozess wird begleitet von vielen Diskussionen über die Ausgestaltung des digitalen Angebots genauso wie die Umgestaltung der gedruckten Zeitung. Eines wurde dabei immer deutlicher: Print und Online müssen enger zusammenrücken – sowohl was das Denken in unseren Köpfen betrifft als auch räumlich. Denn der rasante Wandel setzt sich ja mit unverminderter Geschwindigkeit fort. Immer mehr Bewegtbild, interaktive Karten, Podcasts, Virtual und Augmented Reality, Datenjournalismus, personalisierte Angebote für die Nutzerinnen und Nutzer und, und, und. Die Liste ist beliebig verlängerbar und deutet lediglich an, welche Herausforderungen auf uns als Journalisten warten.

Nicht unbedingt leichter wird die Aufgabe, wenn man weiß, wie schnelllebig das Online-Geschäft sein kann. Wer zum Beispiel erinnert sich noch an StudiVZ, Second Life oder Foursquare? Vom Suchmaschinen-Giganten Altavista oder dem Medienkonzern AOL ganz zu schweigen.

Der neue Newsdesk des Verlags Nürnberger Presse ist demnach der Versuch, sowohl neue Themen und Entwicklungen schneller aufzugreifen, aber eben auch die "Schwarmintelligenz" des eigenen Hauses besser zu nutzen. Guter Journalismus, der vom Willen geprägt ist, unsere Leser und User optimal zu informieren und genauso gut zu unterhalten, ist nicht abhängig vom Medium, über den er verbreitet wird. Dieser gute Journalismus lebt von gut ausgebildeten Redakteurinnen und Redakteuren, die sich auf möglichst vielen Verbreitungskanälen souverän bewegen.

Im Newsroom wollen wir dieses "Bespielen" der Kanäle optimieren und auch Kräfte für neue Ideen und Formate freisetzen. Dass dies gelingen kann, hat die Online-Redaktion in den vergangenen zehn Jahren schon bewiesen. Jetzt freuen wir uns auf noch mehr Kollaboration und Kooperation, auch wenn Karl Valentin uns mit auf den Weg gibt: "Die Zukunft war früher auch besser!"

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