Warum viele Discounter ein echtes Dach-Problem haben

15.12.2017, 05:43 Uhr
Wenn ein Supermarkt brennt, ist das Risiko für Einsatzkräfte der Feuerwehr deutlich höher. Der Grund: die fragilen Dachkonstruktionen.

© NEWS5 / Grundmann Wenn ein Supermarkt brennt, ist das Risiko für Einsatzkräfte der Feuerwehr deutlich höher. Der Grund: die fragilen Dachkonstruktionen.

Der Schwachpunkt bei vielen Discountern, die in fast einheitlicher Bauweise errichtet werden, ist die filigrane Dachkonstruktion. Fängt sie Feuer, kann es zu einer Kettenreaktion und am Ende zum kompletten Einsturz des Supermarktes kommen. Einsatzkräfte der Feuerwehr gehen daher mit äußerster Vorsicht an die Löscharbeiten. Anlass für die Kritik an der Bauweise ist der jüngste Brand eines Discounters in der Nürnberger Südstadt.

Zwei Löschzüge rückten in der Nacht zum 29. Oktober beim Brand der Lidl-Filiale an der Siemansbrücke an. Mit dabei zwei Drehleiter und vier Löschfahrzeuge. Ein vergleichsweise großes Aufgebot. Nach Recherchen der Lokalredaktion ist klar: Das Einsatzrisiko der Feuerwehr ist deutlich höher, wenn Supermärkte brennen, deren Bauweise typisch und oft einheitlich ist. Sie haben ein flachgeneigtes Dach mit großer Spannweite und sind ebenerdig.

Der Schwachpunkt dieser ökonomisch günstig hochgezogenen Bauwerke ist laut Berufsfeuerwehr Nürnberg die Dachkonstruktion: "Wenn das Dach eines solchen Discounters brennt, sind wir vorsichtig und schicken nicht ohne Grund die Einsatzkräfte da rein. Wenn Menschen im Gebäude sind selbstverständlich schon. Wenn nicht, löschen wir von außen", erklärt der stellvertretende Nürnberger Feuerwehr-Chef Hans-Peter Reißmann. Denn die Einsatzleitung geht davon aus, dass durch Hitze und Feuer die Statik des Dachs und damit des gesamten Gebäudes nicht mehr sicher ist.

Fragile Supermarkt-Dächer nicht selten

Wie fragil Dachkonstruktionen solcher Supermärkte sind, zeigen Beispiele aus anderen Städten. In Grasdorf (Niedersachsen) stürzte im vergangenen August das Satteldach eines Aldi-Marktes ohne erkennbare Ursache ein. Im Juli 2009 kam es zu einem ähnlichen Vorfall im brandenburgischen Falkensee bei Berlin. Hier war es ein Rewe-Markt, dessen Dachkonstruktion nachgab und einstürzte. Fünf Jahre zuvor, im April 2004, brach auch das Dach eines Kaufland-Marktes in Bückeburg (Niedersachsen) in Teilen zusammen. Rund 40 Kunden und 20 Mitarbeiter waren zu diesem Zeitpunkt noch im Laden. Ihr Glück: Die hohen Verkaufsregale bremsten die Wucht der herabstürzenden Holzkonstruktion fast komplett.

Als der Nürnberger Lidl-Markt an der Siemensbrücke brannte, hat das Dach zwar trotz Feuer gehalten. Dennoch mussten die Einsatzkräfte davon ausgehen, dass die Dachkonstruktion nicht hält. Warum? Das Problem sind sogenannte Nagelplattenbinder. Sie sind wirtschaftlich effizient, aber eben auch riskant. "Sie kommen mit sehr wenig Holz aus und können trotzdem große Spannweiten überbrücken", erklärt Feuerwehrmann und Ingenieur Hans-Peter Reißmann.

Umdenken musste erfolgen

So wie beim 1999 errichteten Discounter an der Thüringerstraße sind in bundesweit tausenden anderen Märkte auch in den Dachstühlen Nagelplattenbinder verbaut. Sie halten die Holzstreben im Dach zusammen. "Im Brandfall können die filigranen Bauteile keine statischen Reserven mehr haben", so Reißmann. Auch die Stabilität der Nagelplattenbinder kann nachlassen, sie verformen oder lösen sich durch die Hitze komplett. "Wenn man Pech hat, kann eine Kettenreaktion folgen und am Ende kracht das Gebäude zusammen."

In der Bauordnungsbehörde ist das Problem bekannt. Der Gesetzgeber habe nach einer Reihe solcher Vorfälle mit eingestürzten Dächern bereits 2008 reagiert, so Amtsleiter Gerhard Steinmann. "Supermärkte, die vor 2008 errichtet wurden und eine Verkaufsfläche von weniger als 2000 Quadratmetern haben, mussten nicht auf Standsicherheit und Brandschutz geprüft werden." Heute ist es so, dass neue gebaute Supermärkte mit mehr als 800 Quadratmetern in dieser Hinsicht begutachtet werden müssen.

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