Wegen Stickoxid: Diesel-Fahrverbote auch in Nürnberg?

26.7.2017, 10:44 Uhr
Umweltverbände machen Druck auf die Politik und die Automobilindustrie. Sie sehen in Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge den einzigen Ausweg, die Belastungen durch hohe Stickstoffdioxid-Werte in den Städten zu minimieren.

© dpa Umweltverbände machen Druck auf die Politik und die Automobilindustrie. Sie sehen in Fahrverboten für Diesel-Fahrzeuge den einzigen Ausweg, die Belastungen durch hohe Stickstoffdioxid-Werte in den Städten zu minimieren.

Peter Pluschke möchte als Erstes - auf das Thema angesprochen - einmal "mit einem Irrtum in der öffentlichen Debatte" aufräumen. "Feinstaub ist für Nürnberg kein Problem!", betont der Umwelt- und Gesundheitsreferent der zweitgrößten Stadt Bayerns.

"Noch nie hat Nürnberg den Grenz- beziehungsweise Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter überschritten", betont der promovierte Chemiker beim "Umweltpolitischen Abend" des Kreisverbands der Bündnisgrünen. Als Beleg zeigt er eine Übersicht von 2006 bis 2016. Bei den Feinstaubpartikeln PM10 gebe es ein "außerordentlich niedriges Belastungsniveau", erklärt Pluschke.

55 Umweltzonen

Bisher sind Fahrverbote durch Umweltzonen aber allein auf der Basis der Feinstaub-Messungen in Deutschland möglich. Laut Umweltbundesamt (Uba) gibt es derzeit 55 Umweltzonen in der Bundesrepublik. In 54
seien nur Fahrzeuge mit Grüner Plakette zulässig. In die Umweltzone Neu-Ulm dürfe man noch mit Gelber Plakette einfahren. Weitere Umweltzonen seien in der Diskussion.

"Der Feinstaub macht uns kein Problem", sagt der grüne Umwelt- und Gesundheitsreferent. "Es wäre falsch, mit Fahrverboten dagegen anzugehen." Städten mit Umweltzonen machten die Erfahrung, dass Fahrverbote allein nicht so wirksam seien. Da müssten weitere Maßnahmen hinzukommen. Für Nürnberg verweist er ausdrücklich auf den Luftreinhalteplan, der gerade aktualisiert wird.

Bezogen auf die Frankenmetropole, kämen fast zwei Drittel (63 Prozent) der Feinstaubbelastungen an der Von-der-Tann-Straße aus dem "regionalen Hintergrund", wie der Chemiker erklärt. Also aus dem Großraum Nürnberg. Das sei also durch ein Fahrverbot in Nürnberg gar nicht in den Griff zu bekommen. Zu dem "Hintergrund" gehörten aufgewirbelter Staub, Partikel aus Baustellen und Schüttgut oder auch Pollen.

Stadt verstößt gegen Recht

23,5 Prozent der Feinstaubbelastungen würden durch den lokalen Verkehr "aufgewirbelt". Nur 7,6 Prozent der Feinstaubemissionen stammten von den Fahrzeugen selbst. Pluschke: "Würden wir beispielsweise den Verkehr in der Von-der-Tann-Straße durch ein Fahrverbot halbieren, hätte das kaum einen Effekt." Der Einfluss des lokalen Verkehrs auf die Feinstaubbelastung würde überschätzt.

Doch dann kommt von dem Referenten das große Aber. "Ein wirkliches Problem haben wir mit dem Stickstoffdioxid." In der Von-der-Tann-Straße – die für ähnlich stark belastete und eng bebaute Straßen in Nürnberg steht – werden die Grenzwerte seit Jahren überschritten. Pluschke: "Wir verstoßen da seit 2010, dem Jahr der Einführung der Grenzwerte, gegen europäisches und deutsches Recht." Hauptverursacher: Diesel-Pkw. Dennoch möchte er "ein Diesel-Fahrverbot so lange wie möglich vermeiden".

Auf eigene Kosten umrüsten

Vielmehr setzt er zunächst auf andere Maßnahmen. Kurzfristig müssten die Autohersteller die Diesel-Pkw auf eigene Kosten umrüsten. "Nicht nur die Software ändern, das akzeptiere ich nicht als Lösung", sagt er, "sondern auch die Hardware, also die Abgasnachbehandlung. Alle Fahrzeuge müssen die Normen einhalten."

Sollten die Halter - zweiter Schritt seines Fahrplans zu weniger NO2-Belastung - die Werte nicht einhalten können, müsste ihnen die Autoindustrie eine Abwrackprämie zahlen. "Die sind da in der Pflicht."

Und drittens fordert Pluschke einen Ausstieg aus den fossilen Treibstoffen. "Da muss sich die Bundesregierung positionieren", mahnt er. Alternativen seien nicht nur Elektroantriebe, sondern auch Brennstoffzellen und Wasserstoff oder ein aus erneuerbaren Energien gewonnenes Synthesegas. "Dann könnten wir das NO2-Problem auch in Nürnberg innerhalb von drei bis fünf Jahren lösen." Denn zu zwei Dritteln verursache der örtliche und regionale Verkehr die Belastung.

"Dann müssen wir handeln"

Doch Pluschke sagt auch: Wenn die Blaue Plakette kommt, und er fordert sie, wie Oberbürgermeister Ulrich Maly und der Deutsche Städtetag, werde es am Ende doch ein Fahrverbot auch in Nürnberg geben. "Dann müssen wir handeln." Generell - und nicht nur an Tagen mit hoher Stickstoffdioxid-Belastung.

Aber mit der amtierenden Bundesregierung werde die Plakette nicht kommen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt lehne sie ab. Vielleicht komme sie aber mit der nächsten Regierung. Dann müssten aber erst einmal genaue Kriterien festgelegt werden für die Diesel-Fahrverbote. Und das könne dauern.

32 Kommentare