Wie Nürnberger Beratungsstelle gegen Paragraf 219a kämpft

22.2.2019, 06:00 Uhr
Wie Nürnberger Beratungsstelle gegen Paragraf 219a kämpft

© Boris Roessler/dpa

Mirjam Dauscher ist die Geschäftsführerin der Zweigstelle der pro familia in Nürnberg. Seit 2010 berät sie dort nun schon Frauen zum Thema Sexualität, Partnerschaft und Familienplanung. Dabei steht sie natürlich auch Frauen bei, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen.

"Wir beraten sowohl Schwangere im ersten Trimester, also in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen, als auch diejenigen, die aufgrund einer medizinischen Indikation zu einem späteren Zeitpunkt einen Abbruch erwägen", erklärt sie. Nicht jede Frau darf abtreiben – es müssen vorher bestimmte Bedingungen erfüllt sein. So darf die Schwangerschaft noch nicht weiter als zwölf Wochen fortgeschritten sein, der durchführende Arzt muss eine Ausbildung haben und die Frauen müssen vorher ein Beratungsgespräch bei einer staatlich anerkannten Beratungsstelle für Schwangerschaftsfragen wahrgenommen haben.

Fokus auf Beratung

"In der Beratung sprechen wir mit den Frauen über die Gründe ihrer Entscheidung, informieren über den Eingriff, klären auf über finanzielle und soziale Unterstützungsmöglichkeiten und begleiten selbstverständlich bei der Entscheidungsfindung."

Es ist ein Beruf, bei dem sie und ihr Team absolut unvoreingenommen an die Beratung herangehen. "Ich erlaube mir da kein Urteil", so Dauscher. "Jeder Mensch ist anders, jeder Mensch befindet sich in einer anderen Situation, und vor allem: jede Frau hat ein Recht darauf, diese Entscheidung für sich selbst zu treffen."

Diese Entscheidungsfreiheit heißt aber noch lange nicht, dass der Entschluss der Frauen auch von ihrem Umfeld akzeptiert wird. Viele Betroffene sind Anfeindungen ausgesetzt, weiß die Sozialpädagogin. Deswegen läuft bei der Beratungsstelle auch alles anonym ab: Wenn der Frauenarzt eine Patientin weitervermittelt, wird bei der pro familia kein Name vermerkt, sondern lediglich ein internes Kürzel.

Auch die Ärzte, die die Eingriffe vornehmen, bleiben anonym. Es dient dem Schutz der Betroffenen. Weil auch die Ärzte hier in Nürnberg fürchten, mit Shitstorms und Drohbriefen belastet zu werden, sobald ihre Namen öffentlich bekannt würden, wollten sie sich nicht gegenüber unserer Redaktion äußern.

Abbruch ist Recht der Frauen

In Deutschland wurden im Jahr 2017 laut Statistischem Bundesamt rund 101. 000 Schwangerschaften abgebrochen. In die Nürnberger pro-familia-Beratungsstelle kommen pro Jahr rund 600 Frauen aus Franken, um sich über das Thema zu informieren. Das sind zwei bis drei Personen täglich. Rund die Hälfte der Frauen sind Deutsche, die andere Hälfte kommt aus anderen Kulturen. Die Gründe, aus denen sie sich gegen ein Kind entscheiden, variieren. Manche von ihnen haben Angst vor Reaktionen aus der Familie, andere kommen aus einem sozial instabilen Umfeld.

Die neu entflammte Debatte um den Paragrafen 219a werfe Deutschland zurück, so Dauscher, die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Studie brauche man nicht. Mit dieser Ansicht ist sie nicht allein : Claudia Schumann von der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe, bestätigt ebenso: "Es lässt sich nicht beweisen, dass eine Abtreibung einen klaren negativen Einfluss auf die psychische Gesundheit von Frauen hat."

Nur zwei Prozent

"Wir wissen, dass eine Abtreibung an sich keine negativen psychischen Folgen hat", betont auch Anette Kersting von der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Das sollte man einfach akzeptieren, sagt sie, anstatt es erneut zu untersuchen.

Mit der Beratung kann den meisten Frauen geholfen werden. Auch in Nürnberg suchten nur zwei Prozent aller Frauen nach ihrer Abtreibung noch einmal die Beratungsstelle auf, weil sie fürchten, sich falsch entschieden zu haben.

Stattdessen wünschen sich Dauscher und ihr Team, dass endlich die Tabuisierung des Themas aufgehoben wird, dass man einen Schwangerschaftsabbruch nicht weiter verteufelt. "Natürlich lässt sich darüber debattieren, ab wann das Leben beginnt", sagt sie. "Das mag jeder anders sehen. Fakt ist aber: Es ist das Recht der Frauen, sich zu einem Abbruch zu entscheiden. Niemandem steht es zu, darüber zu urteilen."

Negativ behaftet

Kirche und Abtreibungsgegner seien ihrer Meinung nach schuld daran, dass dieses Thema nach wie vor so negativ behaftet ist. Dabei wäre es so wichtig, dass endlich offen über die Möglichkeiten eines Abbruchs informiert werden darf und dass sich sowohl die durchführenden Ärzte als auch die Frauen nicht mehr vor den Vorurteilen ihrer Mitmenschen fürchten müssen. "Wo soll das denn sonst hinführen?", hinterfragt Mirjam Dauscher kritisch. "Wollen wir etwa wieder solche Zustände wie einst, als die Eingriffe heimlich gemacht wurden? Tausende Frauen starben damals an den Folgen!"

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