Wie Zivilcourage runtergebügelt wird

19.12.2012, 14:00 Uhr
Wie Zivilcourage runtergebügelt wird

© Matejka

Die junge Frau aus Hammerbühl wohnt wegen ihrer Ausbildung seit einem Jahr in Nürnberg. Am 19. Oktober stieg sie nach einer Geburtstagsfeier kurz vor Mitternacht in die U1 vom Hauptbahnhof nach Fürth. Sie wusste: Sie gilt unter U-Bahn-Fahrern als gefährlich. Ein ähnlicher Vorfall einige Wochen später ereignete sich ebenfalls in einem Zug dieser Linie.

Inder angepöbelt

Dem widerspricht allerdings die VAG-Pressestelle. Die U1 sei so sicher wie jede andere Linie auch, weil die Videoüberwachung zu einer fast 100-prozentigen Aufklärungsquote führe. Die Standleitung direkt zur Polizei sorge obendrein für mehr Sicherheit als auf vielen öffentlichen Plätzen.

Im Fall von Franziska Lang begann zwischen den Stationen Weißer Turm und Plärrer ein vermutlich Russlanddeutscher einen Inder anzupöbeln. Dieser wurde, erinnert sich die 22-Jährige, „übelst beschimpft“.

Verängstigt sagte der Mann kein Wort. Aber ein Deutscher ihm gegenüber antwortete dem Angreifer provokativ mit Sprüchen wie „Dummheit siegt“. Daraufhin zog dieser sein T-Shirt aus und schleuderte es durchs Abteil und brüllte. Außerdem trat mit voller Wucht gegen Einrichtungsgegenstände.

Niemand half

Franziska Lang hoffte, dass einer der über 20 Fahrgäste Hilfe holen würde, als der Halt „Bärenschanze“ kam. Doch alle blieben sitzen. „Aus einem Affekt heraus bin ich raus und zum Fahrer gerannt. Man kann ja nicht einfach zuschauen.“ Die Fahrerkabine war direkt am Abteil. Sie klopfte in Panik an seine Tür, aber der U-Bahn-Fahrer sah nur geradeaus. Dann öffnete er doch und schrie sie an, ob sie blind oder blöd sei. Er funke gerade mit der Polizei. Sie solle die Klappe halten und verschwinden.

Franziska Lang blieb aber stehen, vollkommen verblüfft. Nach einer Minute öffnete er noch einmal seine Tür und fuhr sie heftig an, er habe die Polizei erreicht; was sie sich einbilde? Sie solle sich wieder setzen. „Ich dachte, dass die U-Bahn jetzt stehen bleibt. Aber sie fuhr weiter. Und da begann die Schlägerei.“

Der Russlanddeutsche, mit bloßem Oberkörper und anscheinend alkoholisiert, trat gegen den Bauch und Kopf des sitzenden Deutschen, nachdem er ihm zuvor mehrfach mit seinem Kopf provokant nahe gekommen war, immer aggressiv schimpfend. „Der Deutsche war zum Glück korpulent und konnte immer seinen Arm vor die Fußtritte halten.“

Mann mit Mut

Wieder blieben alle Fahrgäste ruhig, bis ein etwa 50-jähriger Türke den Rowdy packte. „Dann machten doch drei Leute mit.“ Sie schubsten den Mann beim nächsten Stopp an der Maximilianstraße heraus. Er flüchtete die Treppe hoch, wurde aber oben von der Polizei abgefangen. Im Abteil bedankte sich der Deutsche bei allen, die ihm so spät doch noch beigestanden hatten.

Der Pressesprecher der Polizei, Peter Schnellinger, versichert auf NN-Anfrage, dass die Nürnberger U-Bahnen nicht stark krimininell belastet sind, was jedes Jahr die Statistik beweise. Mit dem Videosystem sei sehr viel für die Sicherheit getan worden. Die Polizei habe darauf auch Zugriff: Bei großer Gefahr klinkt sie sich ein und wartet nicht, wie im Fall von Franziska Lang, bis sie von der Leitzentrale der VAG informiert wird.

 

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