Wo die Nürnberger zu echten Naschkatzen werden

25.5.2015, 20:07 Uhr
Wo die Nürnberger zu echten Naschkatzen werden

© Foto: Edgar Pfrogner

Die roten Tragetaschen mit weißer Aufschrift „Neef“ fallen im Stadtbild auf. Die Nürnberger sind also Naschkatzen? „Das kann man wohl sagen“, bestätigt Ingrid Neef. Gemeinsam mit Sohn Florian führt sie die Confiserie und das Café Neef im Schatten der Sebalduskirche. Ein Blick in das kleine Geschäft zeigt: Kuchen und Schokolade gehen weg wie warme Semmeln. Wir sitzen nebenan im modern eingerichteten Café. Die Gäste lassen es sich schmecken: riesige Stücke Obstkuchen, Florentiner, Krapfen und . . . „Unser Angebot richtet sich nach der Saison“, klärt Mutter Ingrid Neef auf: „Krapfen in der Faschingszeit, Erdbeeren und Kirschen zur Erntezeit.“ Sohn Florian ergänzt: „Obst nur aus der Region, also Kirschen aus Kalchreuth, Erdbeeren aus dem Knoblauchsland.“

Das Geschäft in der Winklerstraße zieht Schleckermäuler magisch an. „Samstags sprechen wir locker 50 Prozent der Kundschaft mit Namen an“, so die Chefin. „Alles Stammkunden“, sagt Florian und grinst: „Die Männer sind die Süßen, nicht die Frauen. Die Herren kommen herein, wünschen eigentlich nur zwei Stück Kuchen und gehen mit einer Tüte voller Pralinen und Schokolade hinaus.“

Als Ingrid Neef 1972 mit ihrem Mann Karl das Geschäft eröffnete, herrschte kein Hochbetrieb. „Das erste Jahr war hart. Doch wir waren jung und voller Ideen. Wir mussten bei den Nürnbergern Aufklärungsarbeit leisten“, erinnert sie sich. Karl Neef hatte in vielen Ländern Europas gearbeitet, war vor allem lange in der Schweiz gewesen.

Zurück in der Heimat arbeitete er bei Ingrids Vater in der Konditorei Beer in der Breiten Gasse. Ingrid Neef lächelt: „Ich wusste sofort, das ist er.“ Sie war im Café Corso in der Klaragasse in die Lehre als Fachverkäuferin gegangen. „Keine leichte Zeit, aber ich habe viel gelernt. Wir machen das heute noch so wie damals im Café Corso: zum Beispiel freundlich sein, auch wenn einem grad nicht danach ist.“

Erst später machte sie eine Ausbildung zur Konditorin. Während Karl Neef in der Backstube Pralinen kreierte und Kuchenrezepte ausprobierte, verpackte sie die Leckereien so kunstvoll, dass Kunden die Kästchen und Truhen gar nicht zu öffnen wagten und so manche Praline verdarb. Denn Zusätze für längere Haltbarkeit der Süßigkeiten sind im Hause Neef tabu. Heute klebt das Verfallsdatum auf der Verpackung.

Zurückhaltende Franken

Markenzeichen für das Geschäft sind die großen Kuchenstücke. Die Idee stammt aus einem Urlaub. Das Ehepaar bestellte in einem Café Zwetschgendatschi und bekam riesige Stücke. Ingrid Neef war begeistert, und ihr Mann meinte: „Die kannst du auch haben.“ Es blieb nicht bei Zwetschgen auf Hefeteig, sondern es folgten alle Obstsorten. Schließlich wurden nur noch die großen Stücke verlangt. „Die Franken sind sehr zurückhaltend, aber wenn sie einmal was gut finden, dann bleiben sie dabei“, sagt Florian Neef lachend.

Wie sein Vater experimentiert auch er gerne mit Schokolade. Biertrüffel als Füllung für Ostereier zum Beispiel. Das Geheimnis ist Bierschnaps, der einen leicht herben Geschmack bringt. Die Skepsis mancher Kunden vertreibt Ingrid Neef: „Wir haben einen jungen Chef, da muss es auch junge Eier geben.“

Florian ging bei seinem Vater in die Lehre. „Mein Mann war strenger mit ihm als mit anderen Lehrlingen“, seufzt die Mutter heute noch. Nach der Meisterschule in Heidelberg übernahm Florian 2011das Geschäft. Gerade hatte der Vater mit 67 Jahren an den Sohn übergeben, da starb er: Herzinfarkt. Seine Rezeptbücher, zahlreiche Fernsehfilme mit ihm und über ihn bleiben als Erinnerung. Für Ingrid Neef war es nach 45 Ehejahren ein Schlag, mit dem sie so früh nicht gerechnet hatte. Ein großer Trost für sie ist, dass Florian die Arbeit des Vaters weiterführt. Der ältere Sohn Harald ist behindert und wird von der Familie liebevoll umhegt.

Kindheitstraum erfüllt

Für Florian stand bereits in der Grundschule fest, dass er Konditor werden wollte: „Das war mein Traum, ich stand immer bei meiner Mutter im Geschäft und habe all die süßen Leckereien bewundert. Ich bin da so reingewachsen.“

Genau wie seine Mutter einst im Café Beer, ihrem Elternhaus. „Meine Schwester und ich halfen von klein auf im Laden“, erzählt die Konditorin. Ihre Schwester heiratete ebenfalls einen Konditormeister, so dass die Familie seit 1859 in sechster Generation das Café Beer führt.

Als Konkurrenten sehen sie sich nicht. „Bei uns steht der Verkauf im Vordergrund, bei Beer das Café“, erklärt Florian Neef. Vom Urgroßvater aus dem Hause Beer besitzt er ein Rezept für köstliche Lebkuchen. Eine Spezialität, die gar nicht so leicht herzustellen ist. „Die richtige Mischung macht’s“, klärt Florian auf. „Es kommt mit auf das Wetter an. Ist es zu feucht, werden sie weich, jedenfalls handgemachte Lebkuchen.“ Und von Hand wird alles in der Confiserie Neef hergestellt.

„Stadtgespräche aus Nürnberg“ von Dorit Schatz, Gmeiner Verlag. Das Buch kostet 14,99 Euro und ist auch im NN-Lesershop in der Mauthalle erhältlich.

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