Wo nichts als Rot-Weiß regiert

27.2.2017, 20:41 Uhr
Wo nichts als Rot-Weiß regiert

© Foto: Josh Reuter

Das Schaufenster quillt über von Rot-Weiß. T-Shirts und Flaggen stechen allein wegen ihrer Größe hervor, doch die "Franconisierung" greift bis ins kleinste Detail um sich. Sogar am Stift, Schlüsselanhänger oder dem Feuerzeug findet sich ein fränkisches Emblem. Mitarbeiterin Martina Heller gestaltet das Fenster zur Außenwelt bis zu vier Mal im Jahr um.

"Je nach Jahreszeit müssen halt mal die Schals und Jacken raus oder neue Tassen, Kappen und Marmeladen ins Regal rein. Marzipantrüffel testen wir vorher, damit da nichts zerläuft", erzählt die 52-Jährige lächelnd über ihre Deko-Tätigkeit. Diese erledigt sie quasi nebenbei, während das Telefon klingelt, jede Menge E-Mails beantwortet werden müssen und dazu noch Kunden den Laden betreten, einer Beratung bedürfen oder nur Ware abholen — "ist eben kein leichter Job", sagt Heller.

Der gebürtige Unterfranke Detlev Tartsch bezeichnet sich als "Überzeugungstäter". So kann man auch eine gewisse Nähe zum "Regionalprinzip" bei seinen über 400 Artikeln erkennen — ein Prinzip, das sich heute aufgrund von Ökologie und Ökonomie mehr und mehr durchsetzt. Nach seiner Ausbildung zum Werbekaufmann und dem Studium der Marketing- und Kommunikationswissenschaften lebte der Schweinfurter mehr als 30 Jahre in Norddeutschland. Anfang der 2000er Jahre kehrte er aus familiären Gründen zurück und erkannte als erfahrener Marketing-Manager: "Die Region Franken hätte genügend Bewohner und Potenzial für ein eigenes Bundesland", jedenfalls aber wohl für die Nachfrage nach fränkischen Fan-Artikeln oder ein entsprechendes Reservoir für den Absatz sogenannter "Identitätsprodukte".

Ab 2005 fing der Kaufmann an, seinen Versandhandel für Franken-Produkte konsequent aufzubauen, und versuchte so, das Franken-Bewusstsein zu stärken. Das ladeneigene "Babberl" mit dem fränkischem Rechen, dem offiziellen Frankenwappen, prangt deshalb auf allen Artikeln. Aber nur, wenn die auch einen Bezug zu Franken haben. Tartsch unterscheidet genau, welches Produkt wo hergestellt wird. 200 Gebrauchsgüter werden in Franken produziert, die Herkunft der anderen ist in einer Legende im Firmen-Flyer ersichtlich: Deutschland, EU oder Fernost — Letzteres in sehr geringer Menge.

"In den letzten zehn Jahren hat das fränkische Selbstbewusstsein enorm zugenommen", erläutert der 72-Jährige begeistert. Über 13 000 Internet-Kunden hat er in der Kartei und mehr als 40 000 fränkisch orientierte Menschen kaufen auf Messen allerlei aus der Angebotspalette. Eine große Käufergruppe sind die Exil-Franken, ob in Flensburg, im Allgäu oder sonst irgendwo auf dem Erdball: "Viele ziehen heutzutage in die Welt, gründen eine neue Existenz, aber vergessen nicht ihre alte Heimat", weiß Tartsch.

Aber auch bei den Familien vor Ort feiert man Festivitäten "fränggischer". Deswegen verkaufen sich die Identitätsprodukte durchaus massenweise: Die rot-weißen Biertischdecken werden denen mit bayerischem Rautendekor vorgezogen. Außerdem gewinnen fränkische Fahnenpicker für Speisen wie Karpfen oder Schäufele an Bedeutung. Genauso wie Waschsets aus rot-weißem Frottee mit dem Schriftzug "fürs Gsichd" und in Blau-Weiß: "fürn Arsch", von den Krügen, Tassen, Gläsern und der Kleidung gar nicht zu reden.

"Durst hat keine Zeit!"

Der Kundenkreis ist vielschichtig. Laut Tartsch sind fünf Prozent davon Hardcore-Franken, 20 Prozent Soft-Franken, 40 Prozent Unengagierte, aber Franken. Dazu gesellen sich 20 Prozent Migranten, die sich in Franken verwurzeln und ihre neue Heimat lieben. Viele Produkte sind auch zum Konsumieren — wie "unser" Bier, gebraut nach dem oberfränkischen "Trockauer Reinheitsgebot" von 1489, ganze 27 Jahre älter als das bayerische. Ein Bestseller ist das "Frankenseidla" — ein 0,6-Liter Glas für mordsdurstige Schnelleinschenker, gemäß dem urfränkischen Motto: "Durst hat keine Zeit!"

Fürther Straße 338, geöffnet Dienstag bis Freitag von 13 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr, Tel. (09 11) 6 60 39 42, weitere Infos: www.frankenland-versand.de

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