Nürnberg: Leben mit unablässigem Kräfteverlust

11.11.2018, 08:00 Uhr
Muskelkranke und Begleiter bei einem Treffen im "Heidekrug" in Nürnberg-Zerzabelshof.

© Foto: Wolfgang Heilig-Achneck Muskelkranke und Begleiter bei einem Treffen im "Heidekrug" in Nürnberg-Zerzabelshof.

Die Teilnehmer der sogenannten Kontaktgruppe unter dem Dach der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke – es ist eine der größten Selbsthilfegruppen in der Region – kommen bis aus Ansbach, Weißenburg oder sogar Coburg zu den Treffen.

Eine von ihnen ist Ursula Halsband. Selbst wenn die 77-Jährige nur einen Schluck trinken will, ist sie auf einen freundlichen Helfer angewiesen, der ihr das Glas oder die Tasse mit einem Trinkhalm vorsichtig zum Mund führt. Und sie hat Glück im Unglück: Mit ebenso viel Engelsgeduld wie Routine steht ihr Mann ihr zur Seite. "Ich habe die Krankheit seit meinem 17. Lebensjahr", erzählt die Nürnbergerin.

Heimtückischer Prozess

Zu Beginn waren die Auswirkungen noch kaum spürbar, alsbald aber begann sie, an Kraft und Bewegungsfähigkeit einzubüßen – und sie musste es hinnehmen und dulden, dass der heimtückische Prozess nicht zu stoppen war. Und zuletzt kam es noch dicker, weil es beim Umlagern zu einem Sturz kam und sie Brüche an beiden Oberarmen erlitt.

"Die Krankheit ist bei weitem nicht so bekannt wie zum Beispiel Multiple Sklerose", meinte Chefarzt Prof. Frank Erbguth vom Klinikum Nürnberg, als er kürzlich bei der Kontaktgruppe zu Gast war. Das mag den Zusammenhalt der Betroffenen fördern, drosselt aber auch das Interesse der Pharmaindustrie, in Forschung für mögliche Therapien zu investieren.

Gute Laune verbreiten

Trotzdem wirkt Ursula Halsbach nicht etwa niedergeschlagen, sondern sie schafft es immer noch, aufmunternd gute Laune zu verbreiten – auch wenn sie keine typisch rheinische Frohnatur ist. Vielleicht hat ihre Aufgabe dabei geholfen: 20 Jahre lang war sie Sprecherin der Nürnberger Muskelkontaktgruppe. Und Ansprechpartnerin wie Anwältin zugleich: Als sie vom Fall eines Rollstuhlfahrers erfuhr, den ein Linienbusfahrer an der Haltestelle einfach stehen ließ, noch dazu bei kräftigem Schneefall, legte sie umgehend Beschwerde bei der VAG ein.

Und als dem Mann nur vier Wochen später dasselbe noch einmal widerfuhr, "bin ich richtig grantig geworden", erinnert sich Halsband. "Es wurde behauptet, der Rollstuhl sei zu schwer gewesen. Aber das ist ja lächerlich, der Mann war schließlich nicht mit einem Panzer unterwegs."

Abwechslung ist wichtig

So gut sie konnte und kann, legte sich die Koordinatorin für ein Programm ins Zeug, das Erleichterung und Abwechslung zu den täglichen Beschwernissen bietet. "Oft dreht sich alles in unserem Leben nur um Krankheit, da finde ich es wichtig, dass der Stammtisch nicht auch noch darum kreist, sondern eine Abwechslung bietet – und zeigt, dass und wie man mit der Krankheit leben kann und was noch alles möglich ist." Und wenn sie am Ende ein "Schön war’s" zu hören bekam, war das für Ursula Halsband immer viel wert.

Langsam will sie den Stab nun weitergeben an Armin Krischer. Er kann sich noch aus eigener Kraft bewegen, noch Auto fahren und berufstätig sein. Allerdings nur dank einer Umschulung auf eine Bürotätigkeit, denn Einsätze in der Produktion verkraftet er nicht mehr.

Die Weihnachtsaktion "Freude für alle" will der mittelfränkischen Muskelkontaktgruppe vor allem den einen oder anderen Ausflug ermöglichen. Denn der Einsatz von geeigneten Fahrzeugen ist nicht billig. Der größte Wunsch wäre freilich, Betroffenen eine Freizeit mit Übernachtung anzubieten. Schon von einem simplen Spieleabend können viele nur träumen. Denn sie werden am frühen Abend vom Pflegedienst ins Bett gebracht – und der langen Einsamkeit überlassen.

Die "Freude für alle"-Aktionskonten:

Sparkasse Nürnberg: DE63 7605 0101 0001 1011 11
Sparkasse Fürth: DE96 7625 0000 0000 2777 72
Sparkasse Erlangen: DE28 7635 0000 0000 0639 99
Postbank Nürnberg: DE83 7601 0085 0400 0948 54

Mit Überweisungsträgern unterstützen die Sparkassen im Großraum die Aktion.

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