Oberpfälzer Tierhalter über Wölfe: "Haben Monster erschaffen"

26.1.2019, 05:56 Uhr
Oberpfälzer Tierhalter über Wölfe:

© Foto: Patrick Pleul/dpa

Bislang können sich Tierhalter in Deutschland und in anderen EU- Staaten bis zu 80 Prozent des durch Wölfe entstandenen Schadens an Weiden, Zäunen und Tierherden erstatten lassen - mehr ließ das Beihilferecht der EU nicht zu. Diese Marke soll nun auf 100 Prozent angehoben werden, wobei die praktische Umsetzung Aufgabe des jeweiligen Bundeslandes ist. In Bayern werden die Regelungen des bestehenden Ausgleichsfonds "Große Beutegreifer" im Laufe dieses Jahres entsprechend der EU-Vorgaben überarbeitet.

Außerdem will Brüssel mit Subventionen die Errichtung von besonderen Schutzzäunen und die Anschaffung von speziell für diese Aufgabe gezüchteten Herdenschutzhunden unterstützen. Eine finanzielle Obergrenze soll es dabei im Gegensatz zu den bisherigen Regelungen nicht geben. Wenn die nun in Aussicht gestellten Beihilfen tatsächlich in großem Rahmen von Nutztierhaltern in Anspruch genommen werden würden, kämen da Millionensummen zusammen.

"Das steckt man nicht so einfach weg"

Das Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft nennt konkrete Zahlen für Deutschland: Um nur die Schafherden wirkungsvoll vor Wölfen zu schützen, müssten 26.500 Kilometer an Sicherheitszäunen neu gezogen werden, was rund 16,5 Millionen Euro kostet. Außerdem würden über 17.000 Herdenschutzhunde benötigt, deren Anschaffung über 50 Millionen Euro erfordert. Hinzu kommen Ausgleichszahlungen für gerissene Tiere - das waren in Deutschland knapp 140.000 Euro im Jahr 2016.


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Für Johann Glossner, den Besitzer des Altmühltaler Schnuckenhofs, sind die nun von EU-Agrarkommissar Phil Hogan präsentierten Pläne zur Schadensregulierung von Wolfsrissen dennoch keine Lösung. Schäfer sähen ihre Tiere nicht nur als Fleisch- und Wolllieferanten, sondern hätten auch ein sehr emotionales Verhältnis zu ihren Tieren. "Da steckt man das nicht einfach so weg, wenn man seine vom Wolf getöteten oder schwer verletzten Schafe auf der Weide findet.", erklärt der 63-Jährige, der mehrere Hundert Mutterschafe und Lämmer sein Eigen nennt. Seinen zertifizierten Bioland-Betrieb bei Erasbach bezeichnet Glossner, der im Haupterwerb ein Traditionsgasthaus in Neumarkt betreibt, als Hobby. "Wenn ich Geld damit verdienen wollte, würde ich etwas anderes machen", sagt der Oberpfälzer. Er halte Schafe, weil ihm diese Tiere gefallen.

Herkömmliche Weidezäune oft nutzlos

Wenn es um den Wolf geht, ist für den Tierhalter vor allem das Gefühl der Machtlosigkeit belastend: "Wenn ein Wolf durch dieses Gebiet zieht, kommt der hier fast überall rein", befürchtet Glossner. Allein um sein über 30.000 Quadratmeter großes Areal in Erasbach zu sichern, müsste er mehr als eineinhalb Kilometer Zaun errichten - und der Effekt wäre seiner Ansicht nach relativ überschaubar. Bei vielen nachweislich von Wölfen getöteten Nutztieren hätten herkömmliche Weidezäune überhaupt nichts gebracht.

Die Anschaffung zusätzlicher Herdenschutzhunde wiederum ist laut Glossner vom Aufwand her gar nicht machbar. Außerdem seien diese Hunde keine Garantie gegen Wolfsangriffe. Der intelligente Beutegreifer entwickle mit der Zeit Strategien, wie er Hunde ablenkt und die Schafe dann von einer anderen Seite aus angreift. Und bei Wildgehegen streifen Wölfe so lange am Zaun entlang, bis Rehe und Hirsche vor lauter Panik aus dem geschützten Bereich ausbrechen und dann zur leichten Beute werden, weiß Max Weichenrieder vom Landesverband Bayerischer landwirtschaftlicher Wildhalter. "Da müssen Sie erst mal unwiderlegbar beweisen, dass Sie wirklich alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen und damit Anspruch auf Entschädigung haben."

Wegen solcher hohen bürokratischen Hürden, sieht nicht nur Weichenrieder die nun von der EU angekündigten Beihilfen ziemlich skeptisch. "Das hört sich alles erst mal gut an, doch der genetische Wolfsnachweis ist sehr schwer zu führen", erklärt René Gomringer, Geschäftsführer des Landesverbandes Bayerischer Schafhalter. Zunächst müsse man die sterblichen Überreste eines Tieres, das vom Wolf vielleicht kilometerweit gehetzt wurde, erst mal finden.

Und dann sei die Frage, ob verwertbare DNA-Spuren des Angreifers an dem Kadaver zu finden sind. Ein nicht zu unterschätzendes Problem dabei: Angesichts der steigenden Zahl von Hybridwölfen, bei denen sich vorhergehende Generationen mit Hunden gepaart haben, könnte es von staatlicher Seite aus heißen, dass wohl ein wildernder Hund für den Angriff verantwortlich gewesen sei. Die Folge: Die Kriterien für eine Ausgleichszahlung wären nicht mehr erfüllt

 

 

 

"Dem Wolf müssen wieder Kugeln um die Ohren pfeifen"

"Viele zusätzliche Kostenfaktoren nach einem Wolfsangriff können Sie von vornherein nicht geltend machen", sagt Gomringer. Zum Beispiel würden viele trächtige Mutterschafe Fehlgeburten, sogenannte Verlammungen, erleiden, wenn eine Herde panikartig auseinanderpresche. "Wie wollen Sie so etwas nachweisen?", fragt sich der Sprecher der bayerischen Schafhalter.

Deshalb fordern Wild- und Weidetierhalter, dass die natürliche Scheu von Meister Isegrim wiederhergestellt wird. "Dem Wolf müssen wieder die Kugeln um die Ohren pfeifen", sagt Johann Glossner und plädiert für gezielte Abschüsse aus einzelnen Rudeln heraus. Die nach Deutschland zurückgekehrten Raubtiere würden ganz genau spüren, dass ihnen aufgrund des bundesweiten Tötungsverbotes keiner was könne. "Wir haben ein Monster erschaffen, weil wir dem Wolf zurzeit absolute Narrenfreiheit gewähren", kritisiert der oberpfälzer Tierhalter angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre.

Dem Deutschen Jagdverband (DJV) zufolge gibt es hierzulande mittlerweile mehr als 1000 Tiere. Ihre Zahl wächst demnach jedes Jahr um etwa 30 Prozent. Und laut der aktuellsten Zahlen des Bundesamtes für Naturschutz wurden 2016 in Deutschland 1079 Nutztiere gemeldet, die von Wölfen getötet oder verwundet wurden. Tendenz steigend.

 

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