Polizistenmord, Kapitel zwei - Angeklagter wieder vor Gericht

22.9.2014, 20:39 Uhr
Polizistenmord, Kapitel zwei - Angeklagter wieder vor Gericht

© Stefan Puchner/dpa

Es ist so etwas wie ein Deja-vu-Ereignis. Nach 19 Monaten wird im Schwurgerichtssaal 101 des Augsburger Landgerichts am Montag vor denselben Richtern wieder die Anklage wegen der Ermordung des Polizisten Mathias Vieth verlesen. Wieder wird geschildert, wie der 41 Jahre alte Beamte nach einer wilden nächtlichen Verfolgungsjagd im Stadtwald Augsburgs mit Salven aus Schnellfeuergewehren getötet wird. Damals, bei der Anklageverlesung im Februar 2013, saßen zwei Brüder auf der Anklagebank. Nun ist es nur noch der ältere von beiden, der wegen des Polizistenmordes sowie wegen schwerer Raub- und Waffendelikte vor Gericht steht.

Sein Bruder (59) wurde zwischenzeitlich wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe und Sicherungsverwahrung verurteilt. Der Prozess gegen den älteren Bruder war 2013 geplatzt, weil der 61-Jährige sichtlich an Parkinson leidet. Nun soll es ihm wieder besser gehen, der Fall wird ganz von vorne aufgerollt. Mindestens ein halbes Jahr wird das dauern, vor März 2015 ist kein Urteil geplant.

Der angeklagte Rentner macht in der Neuauflage der Verhandlung einen deutlich schlechteren Eindruck als bei Beginn des ersten Prozesses. Er wirkt sehr viel älter als damals, gebrechlich, der ganze Körper zittert stark. Die Polizisten, die ihn in den Gerichtssaal führen, verzichten diesmal auf Handschellen und Fußfesseln. Es erscheint ohnehin unwahrscheinlich, dass der alte Mann den durchtrainierten Bewachern entkommen könnte.

Halsbrecherische Flucht?

Doch nicht nur der derzeitige Gesundheitszustand wird auch in dem neuen Prozess ein Thema sein. Ein Sachverständiger soll zudem klären, ob der Angeklagte bei der Tat vor knapp drei Jahren trotz seiner Krankheit überhaupt auf halsbrecherische Weise auf einem Motorrad vor der Polizei flüchten und sich dann an der wilden Schießerei mit den Streifenbeamten beteiligen konnte, wie es in der Anklage heißt. Vieth wurde durch zahlreiche Schüsse getötet, seine Kollegin überlebte den Schusswechsel leicht verletzt.

Rechtsanwalt Walter Rubach, der in dem Prozess die Witwe und die Schwester Vieths als Nebenkläger vertritt, glaubt immer noch, dass im vergangenen Jahr der medizinische Sachverständige auf einen Simulanten hereingefallen ist. Er hielt den Parkinsonkranken nie für verhandlungsunfähig. Nach dem ersten, kurzen Prozesstag äußerte sich der Anwalt trotz des zitterigen Angeklagten zuversichtlich über den aktuellen Gesundheitszustand des 61-Jährigen. «Der ist verhandlungsfähig, er ist nicht verwirrt», stellt Rubach zufrieden fest und betont: «Ich hatte mit mehr Theater gerechnet.»

Schon im Vorfeld des neuen Prozesses gab es juristische Scharmützel. Die Verteidiger des 61-Jährigen lehnten die Berufsrichter der Strafkammer mit einem 430 Seiten langen Antrag als befangen ab. Zu eindeutig sei der ältere Bruder im ersten Urteil im Zusammenhang mit der Täterschaft genannt worden.

Auch die Richter, die über die Anträge der Anwälte entscheiden sollten, ernteten bis wenige Stunden vor Verhandlungsbeginn reihenweise Befangenheitsanträge. Erst Minuten vor dem Prozess wurde vom Landgericht Augsburg alles abgeschmettert, sonst hätte das Verfahren nicht beginnen dürfen.

Wie im ersten Prozess wird es nun wieder darauf ankommen, wie die Strafkammer die zahlreichen Indizien wertet. Einen erdrückenden Beweis gibt es in dem Verfahren nicht - und beide Brüder haben bislang eisern geschwiegen. Der 61-Jährige will dies auch weiterhin tun. Sein jüngerer Bruder, der bereits 1975 einen Polizisten erschossen hatte und deswegen schon rund zwei Jahrzehnte im Gefängnis saß, fechtet unterdessen das bereits ergangene Urteil mit einer Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe an.