Rolle rückwärts! Der ADFC plant die Radweg-Revolution

31.3.2016, 16:41 Uhr
Rolle rückwärts! Der ADFC plant die Radweg-Revolution

© Foto: Stefan Hippel

Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) will die Pflicht, vorhandene Radwege zu benutzen, lieber heute als morgen abschaffen. Grund: Viele Radwege seien zu gefährlich.

Das Rechtsinstitut mit der schönen amtsdeutschen Bezeichnung "Radwegebenutzungspflicht" bröckelt im Grunde schon seit 1998. Damals regelte eine Novelle der Straßenverkehrsordnung, dass Radfahrer einen vorhandenen Radweg nur benutzen müssen, wenn dieser durch ein blaues Schild mit weißem Fahrradsymbol gekennzeichnet ist. Fehlt dieses Schild, können Radler wählen, ob sie auf dem für sie vorgesehenen Weg oder den Straßen (nicht aber auf dem Gehsteig) fahren wollen.

2010 versetzte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) der Radwegebenutzungspflicht einen weiteren Schlag. Radfahrer dürften nur dort zur Benutzung gezwungen werden, wo das Fahren auf der Straße eine "konkrete Gefahr" bedeute. Die Unfallstatistik hatte gezeigt, dass Zweiradler auf den für sie vorgesehenen Wegen keinesfalls sicherer waren als auf der Straße.

Blaue Schilder fallen vielerorts weg

Seither fallen die blauen Benutzungspflicht-Schilder in vielen deutschen Städten reihenweise. 91 der zum Teil vor noch nicht allzu langer Zeit hergestellten 390 "Radverkehrsanlagen" im Münchener Stadtgebiet müssen inzwischen schon nicht mehr benutzt werden, teilte Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerle unlängst dem Stadtrat mit. In der bayerischen Landeshauptstadt nimmt man die Rechtslage sehr ernst. In jedem Einzelfall, so Blume-Beyerle, prüfe die Straßenverkehrsbehörde, ob bei der Benutzung der Radwege "eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko erheblich übersteigt". Nur dann werde das Benutzungsgebotsschild abgebaut.

Dem ADFC dauert das zu lange. Andere Städte seien da viel weiter, so der Münchener ADFC-Vorsitzende Martin Glas, und verweist auf die Radfahr-Pionierstadt Erlangen, wo nur noch ein Radweg benutzungspflichtig sei. Der Kölner "Fahrradbeauftragte" Jürgen Möllers empfiehlt Zweiradfahrern, künftig fast nur noch auf der Fahrbahn zu fahren: "Die Zahl der Unfälle auf Radwegen ist auffällig hoch und dazu kommt noch eine Dunkelziffer." Regelmäßig würden Radfahrer durch rechts abbiegende Kraftfahrzeuge schwer verletzt oder sogar getötet, weil "die Sichtbeziehungen nicht stimmen". "Die meisten Kölner Radwege", so Möllers, "schützen die Radfahrer nicht, wie es das Gesetz verlangt, sondern gefährden sie."

Eine Erkenntnis, die nach Jahrzehnten des Radwegebaus in den Städten reichlich spät kommt und die Frage nach Steuergeldverschwendung aufwirft. Zumal durch das Umschwenken in der Radverkehrs-Philosophie weitere Kosten drohen, sogar "erhebliche", wie das Münchener Kreisverwaltungsreferat mitteilte, denn: Falls die Radwegepflicht so gut wie abgeschafft würde, werde man erhebliche Umbaumaßnahmen an den Kreuzungen und Einmündungen in Angriff nehmen müssen.

Abgesehen davon stellt die inzwischen unübersichtliche Rechtslage nicht nur Radfahrer, sondern auch Ordnungshüter vor Probleme. Kann zum Beispiel ein Radfahrer mit einem Bußgeld belegt werden, der einen Radweg nicht befährt, dessen Benutzungspflicht in Kürze ohnehin fällt? Klarheit ist vom Gesetzgeber kaum zu erwarten, meinen die Juristen des bayerischen Innenministeriums: Der Bund wäre für eine generelle Radwegebenutzungspflicht zuständig. Diese sei aber "weder zu erwarten noch gab es sie in der Vergangenheit".

Verwandte Themen


28 Kommentare