Als Roth noch ein Zentrum der Drahtzieher war

10.11.2014, 17:14 Uhr
Als Roth noch ein Zentrum der Drahtzieher war

© Robert Unterburger

Hausherr Wolfgang Lösch, der auch 1. Vorsitzender des Historischen Vereins Roth ist, erwähnte, dass seit 1988 mehr als 70 000 Museumsbesucher gekommen seien. Bis zu 6000 Arbeitsstunden pro Jahr würden im Fabrikmuseum ehrenamtlich geleistet: „Das Fabrikmuseum bietet hervorragende Einblicke in die Zeit der Anfänge der Industrialisierung in Roth.“

Roths 2. Bürgermeister Hans Raithel erinnerte daran, dass die Stadt Ende des 19. Jahrhunderts einen Bahnhof bekommen habe. Dieser sei ein wichtiger Umschlagplatz gewesen. Im Hof des Schlosses Ratibor sei Draht gezogen worden. In der Innenstadt hätten eine Reihe von Industriellen in Villen gewohnt, man habe Christbaumschmuck in Heimarbeit hergestellt. Heute, so Raithel, sei Roth ein „idealer“ Industriestandort, der sehr begehrt sei.

Professor Dr. Wolfgang Wüst von der Uni Erlangen-Nürnberg führte mit dem Referat „Regionale Industrialisierung und lokale Urbanisierung“ in die Thematik Industrialisierung ein. An vier Beispielen zeigte er die lokale Entwicklungaus, die auf die leonische Industrie zurückgehe. So seien in Roth vergoldete und versilberte Drähte und feine Gespinste hergestellt worden.

In Allersberg hätten die „Drahtzugsbarone“ Gilardi und Heckel die leonische Fabrikation in den Ort gebracht. In Schwabach, dem dritten Beispiel, seien bis zu 568 Personen bei der leonischen Industrie beschäftigt gewesen. Nach der Wirtschaftsdepression nach 1815 sei die leonische Industrie „komplett eingebrochen“, 1825 sei die sei zudem „Baumwollen-Manufaktur“ im Lotterieverfahren versteigert worden.

Es gebe auch eine Tradition der Nadler in Schwabach, so Dr. Wüst. Bis zu 200 Millionen Nadeln seien im Jahr produziert worden. 1792 waren über 700 Personen in der Schwabacher Nadelfabrik beschäftigt gewesen. In seinem vierten Beispiel stellte Dr. Wüst die industrielle Entwicklung in Rothenburg ob der Tauber vor.

Danach sprach Hans Peuschel, Vorstandsmitglied des Historischen Vereins Roth, zum Thema „Die Leonische Fabrik und der Rother Drahtzug“. Für Roth habe der Draht eine besondere Bedeutung, so Peuschel. Anschaulich schilderte er die verschiedenen Techniken, die der Mensch erfand, um das Drahtziehen immer leichter zu machen. So trieb man zunächst mit Menschenkraft den Draht durch ein Zieheisen, später spannte man Pferde ein. Dann kamen der schweißtreibende „Trampelzieher“ und der „Schaukelzug“ zur Anwendung. Ein Riesenfortschritt sei die Erfindung des Schaukelzugs mit Wasserkraft gewesen. Der sogenannte „Leyrenzieher“ habe den Draht bis auf 0,2 Millimeter Durchmesser ziehen können. So dünne Drähtebrauchten: „Reiche, Adelige, die Kirche, der Geldadel, reiche Kaufleute, Geldverleiher, Händler und das Militär, das die Uniformen mit Gold besticken und behängen wollte, sie waren aus reinem Gold und fast unbezahlbar.“ In Lyon habe man die Möglichkeit entwickelt, weitaus billigere Produkte herzustellen: Man versilberte und vergoldete den Kupferdraht. Ein gewisser Fournier habe den ersten erfolgreichen Betrieb in Nürnberg gegründet, der leonische Waren herstellte.

Geniale Erfindung

Ende des 19. Jahrhunderts habe es mit dem Franzosentisches eine geniale Weiterentwicklung gegeben, der es ermöglicht hat, statt vieler einen einzigen Arbeitsgang vorzunehmen. Eine weitere Erfindung sei der Mehrdrahtzug gewesen: Er habe es ermöglicht, immer mehr Drähte in einem einzigen Arbeitsgang zu ziehen. „Heute gibt es in Roth keinen Betrieb mehr, der leonische Waren herstellt“, schloss Peuschel, „Leoni ist ein Weltkonzern geworden mit 60 000 Beschäftigten und vier Milliarden Euro Jahresumsatz.“

Den Reigen der Vorträge schloss Museumsführer Willi Riffelmacher. Er sprach über das Thema „Christbaumschmuck – ein Folgeprodukt Leonischer Drahtwaren“. Er berichtete, dass der Brauch des Christbaumschmückens erstmals im Jahre 1571 im Elsass erwähnt worden sei. Um 1870/1880 seien die ersten Lamettafäden hergestellt worden. Das Fabrikmuseum Roth besitze sechs verschiedene Sorten von Lametta. Ausgangspunkt des leonischen Christbaumschmucks sei der leonische Drahtzug gewesen. Hergestellt worden seien Girlanden, sogenannte Eiszapfen als Filigranschmuck und Topfreiniger aus Kupferblech.

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