Ballern von der Bank

26.9.2014, 17:39 Uhr
Ballern von der Bank

© Foto: Robert Schmitt

„Benchrest-Schießen” lebt von Präzision, Konzentration, Erfahrung und nicht zuletzt von ausgefeilter Technik. „Es ist die technischste Schießsportdisziplin, die weltweit ausgetragen wird”, sagt der Rother. Schließlich gilt es, im Freien eine Kleinkaliberpatrone per Gewehr so abzufeuern, dass sie über 50 Meter in einem sechs Millimeter großen Ziel landet.

Der Schütze hat dabei zwar ein Zielfernrohr vor Augen, und es ist auch sonst recht bequem für ihn. Er darf auf einer Bank, Englisch „bench”, sitzen, der Schaft liegt auf einem Säckchen, englisch „rest”, und die Abzugshand wird von einem Schaumstoffkeil gestützt. Doch wenn eine Kugel im Sechstel einer Sekunde 50 Meter zurücklegt, wirken enorme Naturkräfte auf sie. „Das Schwierige ist, die Windabdrift miteinzuberechnen”, erklärt der Sportschütze.

Fähnchen markieren Distanz

Um sie richtig einzuschätzen, ist die Strecke unterhalb der Schussbahn mit Fähnchen gespickt. Sechs Stück bringt Manfred Rißmann zu jedem Wettkampf mit. 25 Schuss sind in 20 Minuten zu absolvieren. Bei der Weltmeisterschaft im August in Frankreich erreichte er bei sechs Runden 1495 von 1500 möglichen Ringen und war damit bester der sechs Deutschen.

Weltmeister wurde ein Mann aus Down-Under. Dem Australier John Redford gelangen als erstem WM-Teilnehmer überhaupt 1500 Ringe. Die Abstände waren indes hauchdünn. 1498, 1497, Rißmann. „Vor mir lagen vier Australier, ein Franzose und ein Brite.” Mit 145 Zehnern und fünf Neunern gehört der deutsche Sportler zur absoluten Weltspitze der Benchrest-Schützen. „Die ersten zehn schießen auf Augenhöhe”, ist er überzeugt. Bei der WM in Frankreich waren 17 Nationen mit 140 Teilnehmern am Start.

Bruchteile von Millimetern

Während des Wettkampfs hat der dreifache Familienvater immer zwei Bilder im Kopf. Mit dem rechten Auge durch ein Zielfernrohr, das der Scheibe, über die ein Fadenkreuz gleitet. Rißmann steuert es mit einer Art Joy-Stick. Der Lauf der minimalistischen Sportflinte befindet sich auf dem Schlitten eines Präzisionsgerätes. Der Steuerknüppel bewegt ihn jeweils Millimeter-Bruchteile, bis Rißmann die Mitte der Mitte im Visier hat. Dabei überlässt er nichts dem Zufall. „Ich habe mir eine Wetterstation gebaut”, erklärt er. Seiner Meinung nach gewinnt beim Benchrest nämlich der Schütze, der sich und sein Material am besten auf die Umgebungsbedingungen einstellen kann.

Stoppuhr, Thermometer und eine Luftfeuchtigkeitsanzeige geben Auskunft über die wichtigsten Parameter. Das Holzgerüst steht unmittelbar neben dem Gewehr. Auch kein Zufall. In ihm befindet sich oben auch noch ein kleiner Ventilator, der stets Luft über den Lauf fächelt, um das Rohr zu kühlen. Anderenfalls würde ein Hitze-Flimmern wie man es aus der Wüste kennt den Blick auf die 25 kleinen Scheiben trüben. Genaues Zielen wäre so gut wie unmöglich. „Präzision heißt, immer die selben Bedingungen herzustellen”, sagt der amtierende deutsche Meister. Dabei ist er Perfektionist.

Das zweite Bild lässt Manfred Rißmann über sein linkes Auge in den Kopf gleiten, wie er sagt. Es beobachtet die Fähnchen. Stärke und Richtung des Windes fließen so in seine Schussentscheidung ein. „Ich lege beide Bilder übereinander”, erklärt er den Vorgang. Die Reihenfolge lautet dann: „Den Wind richtig einschätzen, das Fadenkreuz danach ausrichten und sauber abziehen.” Kommt das raue Lüftchen von hinten, muss man tiefer ansetzen, kommt es von vorne, dann höher.

Beim Ruhrpottcup in Bochum hat Rißmann auf diese Weise zuerst 749 von 750 Ringen getroffen, dann 748 von 750 und die Kugel dabei 120 Mal exakt in die Mitte gelenkt. „Das ist aktuell das höchste BR50-Ergebnis, was ein Deutscher jemals geschossen hat”, sagt er stolz.

Als wichtigste Voraussetzungen für solche Leistungen sieht er absolute innere Ruhe und seelische Ausgeglichenheit an. „Wenn Du Ärger mit der Frau hast, dann ist der Wettkampf schon gelaufen”, sagt er. Bei Rißmann kommt das allerdings nie vor. „Ohne Danielle könnte ich den Sport nicht so intensiv betreiben”, lobt er seine Gattin, die ihm immer den Rücken freihält.

5000 Trainingsschuss pro Jahr

Sein Engagement sei immer eine Gratwanderung zwischen Beruf, Familie und Hobby. Pro Jahr gibt er im Training etwa 5000 Kleinkaliberschuss ab. Entweder in der Halle der Privilegierten Feuerschützengesellschaft Schwabach oder auf der 100-Meter-Bahn unter freiem Himmel in Thalmässing. Daneben fährt Rißmann viel Fahrrad. Fitness sorgt für niedrigen Puls. „Man merkt jeden Schlag beim Schießen.”

Manfred Rißmann tritt auch mit dem Großkalibergewehr bei Wettkämpfen an. So hat er in der Gesamtwertung über 100 und 200 Meter bei der deutschen Meisterschaft im Juni in Weimar ebenfalls den Titel gewonnen. Eine außerordentliche Leistung. Es gibt ganz wenige Schützen die Groß- und Kleinkaliber schießen und noch weniger, die erfolgreich sind. „In Deutschland sind es etwa fünf Leute”, schätzt der mittelfränkische Schütze.

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