BBV sieht Schweinehaltung im Landkreis Roth vor Ende

25.9.2015, 18:45 Uhr
BBV sieht Schweinehaltung im Landkreis Roth vor Ende

© Foto: Jürgen Leykamm

In ganz Mittelfranken ist diese Aktion des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) gestartet. Im Landkreis Roth sind die zornigen Botschaften von den drohenden, zerstörerischen Schleuderpreisen vor allem im südlichen Teil und in der westlichen Hälfte anzutreffen – vorzugsweise direkt an den Parkplätzen der Lebensmittelketten selbst, aber auch an öffentlichen Plätzen oder auch einmal auf einem Feld.

Lidl verschont

Ausdrücklich verschont bleibt dieses Mal Lidl: Die letzte Protestaktion des Verbandes im August hatte bei jenem Discounter ein Einsehen bewirkt und er erklärte sich bereit, die Milch für fünf Cent pro Liter mehr einzukaufen. Ein Schritt in die richtige Richtung, lobt man in Landersdorf. Dort treffen sich Ehrenkreisbäuerin Maria Helbach und BBV-Kreisobmann Thomas Schmidt am Hofe von Ortsobmann Werner Bernreuther und dessen Gattin Elke.

Ihnen allen gehen die Zugeständnisse nicht weit genug. Die Preiserhöhung müsse bei allen Milchprodukten erfolgen und beim Fleisch müsste sie eigentlich 20 Cent betragen. Die Bernreuthers wissen, wovon sie reden. Denn ihr Schweinezucht- und Mastbetrieb leidet sehr an dem schon über zwei Jahre währenden Preistal. Denn während es in der Milchwirtschaft mal zwischenzeitlich bergauf ging und die Kuhhalter von den Reserven zehren könnten, ist die Situation bei den Schweinehaltern weit dramatischer. „Da sind die Reserven schon weg“, spricht Elke Bernreuther für ihren Berufsstand.

Ohne soziale Verantwortung

In Sachen Preisdruck könnte es aber bald noch viel schlimmer kommen. Denn der Einzelhandelsriese Edeka will als Marktführer die Kaisers-Tengelmann-Kette übernehmen, das Kartellamt ist zwar dagegen, seitens der Staatsregierung aber gibt es andere Signale. Die Verhandlungstaktik des Handels gegenüber Molkereien und Schlachthöfen ziele nun auf ein noch weiteres Drehen an der Preisschraube nach unten, was verheerende Folgen für die Erzeugerbetriebe nach sich ziehen könnte. „Da fehlt von sozialer Verantwortung jede Spur“, so der Vorwurf Schmidts.

Besonders bitter: „Gerade die Betriebe, die in den vergangenen Jahren zur Einhaltung immer höherer Standards investiert haben sind gefährdet.“ Ein Blick nach Landersdorf erklärt die Misere. Vor wenigen Jahren standen bei den Bernreuthers auch noch 27 Milchkühe in den Ställen – zusätzlich zu 400 Mast- und 70 Mutterschweinen. Um Letztere behalten zu können, musste man den Betrieb umbauen, um mit gesetzlichen Auflagen mithalten zu können.

Erweiterung geplant

So gab man die Kuhhaltung auf und stockte im Gegenzug auf 130 Mutterschweine auf, die nach den neuesten Vorgaben glücklich leben sollten. Da man das geschlossene System beibehalten und die eigenen Ferkel weiterhin auch selbst mästen wollte, plante man auch eine Erweiterung der Stallungen auf eine Kapazität für 1000 Mastschweine.

Dann schlug der Preisverfall zu und eine solche Investition schien unverantwortlich. So unterblieb sie und die Bernreuthers verkauften die überschüssigen Ferkel an den Mastbetrieb des Nachbarn und beließen es bei 100 Mutterschweinen. Doch der Nachbar musste vergangenes Jahr seinen Betrieb einstellen. Die Schlitze am Boden seines Stall waren zwei Millimeter zu breit – eine entsprechende Investition war nicht zu schultern.

Nun konnten die Bernreuthers aber ihre Kleinmengen an Ferkeln nur schwer andernorts verkaufen. Denn die Abnehmer wollen große Partien. Hauptgrund ist das Antibiotika-Monitoring. Viel Vieh aus einem Stall bedeutet, dass alle Tiere im Falle eines Falles an derselben Krankheit leiden und deswegen nur einmal behandelt werden müssen. Also sind große Mengen gefragt. „So macht man Familienbetriebe kaputt“, sagt Thomas Schmidt.

Und Werner Bernreuther wird noch deutlicher. Wenn das so weitergehe, „hören allen Mutterschweinehalter auf“ moniert er und lässt seinen Worten eine eindeutige Handbewegung quer zu seinem Hals folgen.

Er selbst bleibt seinem geschlossenen System treu: Künftig sollen es wie vor Jahren eben nur 70 Mutterschweine sein, sodass die Ferkel selber gemästet werden können. Ansonsten setzt er nun auf Ackerbau. Doch für die Schweinehalter im Allgemeinen verfinstert sich die Lage weiter.

Ab 2019 muss die Kastration durch Betäubung durch den Tierarzt erfolgen. Das überlebten dann bloß noch solche Betriebe, die sich einen eigenen Tierarzt leisten könnten. Nämlich jene, bei denen 5000 Sauen im Stall stehen – „dann haben wir die Schweineindustrie“, so die Befürchtung.

„Es ist zum Weinen“

Obwohl der Gesetzgeber genau die nicht haben wollte, sondern die kleinen Betriebe. Was bestimmt auch „gut gemeint war“, gesteht Werner Bernreuther zu, allerdings wie nicht selten „das Gegenteil“ bewirken werde. Es sei somit zu befürchten, dass „die Schweinehaltung in Deutschland an die Wand gefahren wird – es ist zum Weinen“.

Einen gewissen Sarkasmus kann sich Schmidt nicht verkneifen. „Wir sind zwar ein Presssacklandkreis, aber bald ohne Schweine...“ 1960 gab es hier noch 3000 Betriebe mit dem grunzenden Borstenvieh, derzeit sind es noch 50, die es in nennenswerter Zahl halten. Und die befürchten bereits den „schwedischen Weg“ des Totalumbaus in der Tierhaltung – mit noch viel mehr Auflagen. So favorisiert es der wissenschaftliche Beirat des Landwirtschaftsministeriums. In dem skandinavischen Land haben nach dem Inkrafttreten eines entsprechenden Gesetzes 90 Prozent der schweinehaltenden Familienbetriebe aufgegeben.

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