Bekommt Roth einen Wald-Kindergarten wie in Allersberg?

26.3.2018, 09:35 Uhr
Bekommt Roth einen Wald-Kindergarten wie in Allersberg?

© Tobias Tschapka

Es ist ein bisschen so, als hätte Kinderbuchautorin Astrid Lindgren die Szene entworfen: Acht kleine Menschen zwischen zwei und sechs Jahren sitzen in molligen Overalls, mit Mützen, Schals, Handschuhen und roten Backen im Schnee. Die einen haben Töpfe vor sich auf den Boden gestellt, um sie mit der weißen Pracht des Winters zu füllen und emsig ein Fantasie-Menü darin anzurühren; andere formen das gefrorene Gut zu Ovalen, die anschließend mit Farbe bepinselt werden, um dann in einem Nest aus Kiefernzweigen zu landen. Sei ja schließlich bald Ostern!

Die Sonne meint es zwar gut, doch es ist kalt, ein paar Grad über Null. Die Kleinen scheint das in ihrem Tun aber wenig zu stören. Kein Steppke wirft auch nur einen Blick in Richtung der wärmenden Holzhütte, in der ein Schwedenofen lustig flackert. Alle sind beschäftigt mit sich, ihren Spielkameraden und der sie umgebenden Natur. So, wie es sein soll - in einem echten Waldkindergarten...

Nein, dieses Idyll trüge nicht, versichern Chiara Liepold und Nadine Nöller einstimmig. Sie könnten sich "keinen schöneren Arbeitsplatz vorstellen", erklären die beiden Diplom-Pädagoginnen, die 2014 den Verein "Buchenzauber e.V.", Träger der allerersten Wald-Kindertagesstätte (Kita) im Landkreis Roth, aus der Taufe hoben. Weil sie merkten: "Der Bezug zur Natur geht in der Gesellschaft verloren". Zumal die zwei Frauen bereits in Kitas mit dezidiertem Naturbezug gearbeitet haben sowie einschlägige Zusatzausbildungen vorweisen können, starteten sie hier – in einem Waldstück am nördlichen Ortsrand von Allersberg – überzeugt eine Gegenbewegung.

Und liegen damit im Trend. In Deutschland existieren inzwischen an die 1500 solcher Einrichtungen. "Tendenz steigend", wie Ute Schulte-Ostermann in ihrer Funktion als Vorsitzende des Bundesverbandes der Natur- und Waldkindergärten in Deutschland feststellt. Sie selbst berät bei Gründungsvorhaben "inzwischen auf allen fünf Kontinenten, am meisten in Asien".

Woraus sich dieses stetig steigende Interesse speist? Das hat für Schulte-Ostermann, die an der Fachhochschule Kiel den Studiengang Natur-Spielpädagogik entwickelte, einen simplen Grund: "Man merkt einfach, dass es mit der zunehmenden Naturentfremdung so nicht weitergehen kann".

Informationsfluten aus zweiter Hand und eindimensionales Lernen vor dem PC widersprächen dem, was der Mensch für sein körperliches und seelisches Wohl brauche: eine "Schulung aller Sinne", eine "Portion Lebenspraxis". Und wo könne man sich das besser holen als draußen? "Schließlich stammen alle unsere Erkenntnisse aus der Natur", untermauert Schulte-Ostermann.

Ähnlich scheint das auch die Stadt Roth zu sehen. Oder ein bisschen pragmatischer betrachtet: "Neue Konzepte sind immer gut!", findet Anita Höfler vom Hauptamt, verantwortlich für den Bereich Kinderbetreuung. So soll voraussichtlich ab September eine weitere "Buchenzauber"-Kita und damit der zweite Waldkindergarten des Landkreises in Roth Wirklichkeit werden. Am südlichen Ortsausgang, auf der Kiliansdorfer Höhe, stellt die Stadt an die 4000 Quadratmeter Grund für den pädagogisch wertvollen Outdoor-Spaß von bis zu 20 Kindern im Alter zwischen zweieinhalb und sechs Jahren zur Verfügung.

Dem "Antrag auf Vorbescheid" hat der Rother Bauausschuss schon mal zugestimmt, um Luft in der Rother Kindertagesstätten-Landschaft zu schaffen – weil die augenblicklich vorhandenen 1250 Kita-Plätze in der Stadt (inklusive Ortsteilen) mit Blick auf neue Baugebiete und Geburtenanstieg knapp bemessen seien, heißt’s.

Trotzdem geht’s nicht so schnell: Selbst wenn die Schützlinge des Wald-Kindergartens in der Regel ihre sieben Stunden an der frischen Luft sind – einen trockenen Unterschlupf braucht´s allemal. Den bietet zum einen die Grundschule Kupferplatte (bei extremen Wetterkapriolen); zum anderen soll er direkt vor Ort in Form von ein bis zwei Bauwagen realisiert werden. Die Kosten übernimmt die Kommune, entsprechende Vergleichsangebote werden gerade eingeholt.

Nachdem der Stadtrat das Projekt goutiert hat, bedarf es nun noch der Baugenehmigung des Landratsamtes. Das Verfahren läuft. Was Anita Höfler aber bereits zu prognostizieren vermag: Die zu zahlende Kita-Gebühr werde sich am übrigen Stadtgebiet orientieren.

So halte man es auch in Allersberg, sagt Nadine Nöller. Man wolle schließlich nicht, "dass sich die Eltern aus finanziellen Gründen für oder gegen uns entscheiden", sondern aus qualitativen. Und die sollen in Roth unter anderem durch einen Wildnispädagogen, eine naturpädagogisch geschulte Kinderpflegerin und eine Erlebnispädagogin gestützt sein. Soviel steht fest.

Allen voran führe natürlich auch dort Mutter Natur das Regiment: Bäume, die zum Klettern einladen; Erde, die zum Buddeln verlockt; Flora und Fauna, die den jungen Forschergeist wecken. "Da ist so einiges möglich", versichert Anita Höfler. Und: "Jede Jahreszeit hat was zu bieten", weiß Chiara Liepold. Langweilig werde es ihren Schützlingen also nicht. Und wenn doch, so gelte es die Langeweile in Kreativität umzumünzen – auch das ein erstrebenswerter Lernprozess. Denn was hier grundgelegt werde, sei "eine lebenslange Naturverbundenheit".

Malen, Singen, Basteln, Lesen oder Turnen stünden freilich gleichfalls auf dem Programm. In Allersberg schauen dazu regelmäßig eine Musik- und eine Kräuerpädagogin vorbei. Hinzu kommen Projekte und Ausflüge. Letzten Endes habe man – wie jede andere Kita im Freistaat – die Anforderungen des Bayerischen Bildungs- und Erziehungsplans zu erfüllen. Das gelte auch fürs Vorschultraining. Nur erfolge die Ausführung eben jeweils ein bisschen anders.

So beginnt jeder Tag um 7.30 Uhr mit einem gemeinsamen Morgenkreis am Open-Air-Treff, zu dem Eltern ihre Kinder aus dem gesamten Landkreis und der benachbarten Oberpfalz nach Allersberg transportieren. Danach machen sich die Kleinen mit ihren ErzieherInnen auf den Weg zum "Stützpunkt". Zwischendrin findet sich Zeit für Finger- und Sprachspiele, für Zähl- und Reimverse.

Ein Wetterkreis dürfe überdies nicht fehlen: "Wir beobachten den Himmel, sprechen über Wolkenbewegungen und Planetenkonstellationen", erklärt Chiara Liepold. Selbst Mama und Papa könnten da mitunter noch was lernen - und täten´s gern. Gemeinsam sei diesen Eltern nämlich, "dass sie die Natur als besonderen Wert schätzen", meint Nadine Nöller "dankbar". Schließlich müssten es die Erziehungsberechtigen ja auch aushalten können, ihre Kinder bei Wind und Wetter draußen zu wissen...

Inzwischen ist es fast Mittag geworden abseits der Nürnberger Straße im Allersberger Norden: Greta (5) hat sich vom Steinefeilen aufs Stöckchenschnitzen verlegt, während ihr Freund Toni (5) auf dem Rücken liegt und in den Himmel guckt. "Wann machen wir Feuer?", fragt der dreijährige Jan. "Gleich", antwortet ihm Chiara Liepold. Man wolle demnächst gemeinsam das Mittagessen kochen, fügt sie erläuternd an. "Kannst schon mal Holz holen!", wendet sie sich an den Jungen, der zufrieden davonspringt. Astrid Lindgren lässt grüßen!

Zum geplanten Betrieb des zweiten Waldkita-Standorts in Roth findet am 9. April, 19.30 Uhr, ein Informationsabend im Schloss Ratibor (Ratsstuben), Hauptstr. 1, statt. Weitere Auskünfte: waldkita.buchenzauber@gmail.com und www.buchenzauber.jimdo.com

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