Das Leben in "Pfaditopia": Pfadfindertreffen in Reinwarzhofen

14.6.2017, 15:02 Uhr
Das Leben in

© Foto: Jürgen Leykamm

Groß prangt das Motto in aufgestellten Lettern vor einem der Zelte. Der eigenen Utopie mal Raum geben und gespannt sein, ob zur Verwirklichung auch ein Pfad führt. Der "Pfad to" ist so auch für eine Sekunde zu lesen, als einige "Pfadis" im Vorbeigehen einige Buchstaben verdecken.

Dieser Weg kann sich bekanntlich auf zwei Arten formen: Man kann entweder hoffen, dass aus wilder Anarchie und Kreativität sich evolutionäre Strukturen bilden. Oder man gibt erst den Rahmen vor und lässt in diesem die Ideenvielfalt sprießen. Im Lager des weißblauen Teils der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg — die größte Organisation ihrer Art in Deutschland — fällt die Entscheidung zugunsten der letzteren Variante.

So ist der Platz bald eingeteilt in insgesamt neun "Stadtviertel". Darin geht es bunt gemischt zu. Das ergibt sich fast von selbst, langes Reden von integrativen Konzepten braucht es da gar nicht. Beim Rundgang ist die Kommission erstaunt: Da wird fleißig die Sonne angezapft für Solardusche oder Handy-Aufladegerät. Oder die Multifunktionaliät von Holzbauten bewiesen: Ein Tor lässt sich auch zum Limbotanzen hernehmen und ein aus Holzstämmen errichtetes Plateau flexibel einsetzen.

Auch der "Greenness-"Faktor ist wichtig. "Grün" steht zum Beispiel für die Farbe der Jahrgangsstufe "Pfadfinder" (13 bis 16 Jahren). So erklärt sich auch der Titel des Lagersongs: "Endlich green hinter den Ohren!", "Dream green – mach was Dir einfällt!", wird darin ermuntert. Grün steht aber auch für Umweltschonung, und so bildet der Bau einer Mülltrennstation ein eigenes Bewertungskriterium. Es gibt eine übergroße Hollywoodschaukel sowie eine Haarwaschmaschine live in Aktion zu sehen, einen "Pfefferminzsee" zu bestaunen (dessen Glibber auf die Algenplage in den Gewässern verweist). Ein "eingefrorenes Dorfleben" im Stil des Wachsfigurenkabinetts begeistert ebenso wie ein schwebender Fahnenmast.

Neben der übersprudelnden Kreativität geht es auch um die politische Motivation. So gibt es offiziell Stadtratssitzungen, es werden Viertelvertreter gewählt, die wiederum den Bürgermeister bestimmen.

Der Arbeitskreis "Inhalt" um Leiterin Sara Mehl hat sich mächtig reingehängt. Mit großem Ehrgeiz – denn hier ist alles freiwillig und es gilt kein Handyverbot. Das Angebot will also stärker sein als der innere Schweinehund und das Verlangen, übers Smartphone zu wischen. Beides klappt, ganz ohne Leistungsdruck. Weil die Jugendlichen ernst genommen werden, ihre Stärken zum Tragen kommen und die Teenager merken dürfen, dass dadurch ihre Schwächen immer kleiner werden. So schön kann es sein wenn eine Utopie, wenn "Pfaditopia" Wirklichkeit wird.

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