Das Training geht auch nach dem Titelgewinn weiter

16.4.2014, 14:39 Uhr
Das Training geht auch nach dem Titelgewinn weiter

© Elke Bodendörfer

Simon ist als jüngster von fünf Brüdern in der Traditionszimmerei Rehm aufgewachsen, die der Urgroßvater einst ins Leben gerufen hat und die jetzt vom Vater geführt wird. Zwei Brüder arbeiten schon lange im Betrieb, ein weiterer hat sich auf Holzbau spezialisiert und ist im Bayerischen Wald beschäftigt. „Ich sollte eigentlich nicht auch noch Zimmerer werden, meinten einige Familienmitglieder, aber in der 6./7. Klasse war mir klar: Ich will diesen Beruf auch lernen.“ Er habe auch da schon immer wieder im Familienbetrieb mithelfen müssen und es habe ihm Spaß gemacht.

Abschluss als Innungsbester

Seine Ausbildung absolvierte Simon bei einem Betrieb in Neumarkt. Als Innungsbester schloss er sie ab. Vor zwei Jahren, noch im dritten Lehrjahr, war er als Besucher bei der Europameisterschaft in Stuttgart und hat gleich Lunte gerochen: „Ich war fasziniert davon, was die da machen.“ Simon hing sich rein, wurde gleich im Anschluss an seine Lehre Kammersieger und Landessieger und fuhr dann zum Bundesentscheid nach Trier. Dort wurde er mit 0,3 Punkten Abstand auf den Erstplatzierten „nur“ Zweiter. „Es war ein Leichtsinnsfehler, das hat mich gescheit geärgert.“

Sein Potenzial wurde dennoch erkannt und Simon wurde von Holzbau Deutschland, dem Bund deutscher Zimmerermeister, in die Nationalmannschaft berufen. Sieben Leute sind derzeit in der Mannschaft. Sie treffen sich im Schnitt einmal im Monat zu einem viertägigen Training mit Fachleuten und ihrem Teamchef in den Ausbildungszentren Biberach und Kassel. Außerdem sind sie immer wieder eingeladen zu Events wie Tagen der offenen Tür bei den Unterstützern von Holzbau Deutschland, namhaften Fenster-, Werkzeug- oder Ziegelherstellern. Dort geben sie vor Publikum ihr Können zum Besten und fertigen anhand komplizierter Pläne Modelle von Dachstühlen. Das hat mit der eigentlichen Arbeit des Zimmerers nicht allzu viel zu tun. Doch dem Weinsfelder Lockenkopf machen diese Knobeleien Spaß und sie gelingen ihm mittlerweile aus dem FF.

Den ganzen Winter über hat Simon Rehm nach Feierabend und am Wochenende in der heimischen Werkstatt geübt und alte Prüfungsaufgaben gemacht. Sein liebstes Hobby, das Fußballen in der ersten Mannschaft der DJK Weinsfeld, musste in der Rückrunde hinten anstehen und auch für Freundin Jessica blieb nicht mehr viel Zeit. Simons Ehrgeiz war enorm.

Zur Europameisterschaft, die Anfang April im französischen Grenoble stattfand, durfte Simon mit zwei Teamkollegen reisen. Mehr seien nicht erlaubt. Dort bekamen er und die anderen Teilnehmer — hauptsächlich aus Österreich, Schweiz, Südtirol, Skandinavien, Frankreich und Luxemburg — einen Plan mit einem Grundriss, 3-D-Ansichten und nur wenigen Maßangaben. Anhand dieses Planes mussten die EM-Teilnehmer ein Modell bauen. Doch zuerst galt es, die wahren Längen zu ermitteln, den Aufriss auf einer zwei mal 2,40 Meter großen Holzplatte einzuzeichnen, die dafür notwendigen Hölzer mit dem Bleistift anzureißen und diese mit Handsägen, Stoßaxt, Stemmeisen und anderem Werkzeug, aber ohne Maschinen, auszuarbeiten und schließlich das Ganze zu einem Dachstuhlmodell zusammenzubauen.

Für dieses komplexe Konstrukt hatten die Teilnehmer 22 Stunden, sprich drei Tage, Zeit. Die einzelnen Schritte wurden von einer strengen Jury bewertet. „Wenn man etwas nachbessern muss, gibt es sofort Punktabzug“, sagt Simon. Teilweise stehen zig Leute und Kamerateams vor einem, um bei dieser kniffligen Aufgabe zuzuschauen. Doch das bringt den Weinsfelder längst nicht mehr aus der Ruhe. „Was? Da war ein Kamerateam?“, fragt er seine Mutter, die wie sein Vater und seine Freundin mit ihm in Grenoble mitfieberte, „das hab ich gar nicht gemerkt“ — so konzentriert war er bei der Sache. „Wir drei Deutschen waren gut vorbereitet. In einem Affenzahn haben wir die Aufgaben bewältigt und lagen schon am ersten Tag zwei Stunden vor der Konkurrenz.“ Am Ende zahlte sich die Top-Vorbereitung aus. Das deutsche Team holte Gold und Simon wurde Europameister in der Einzelwertung. Die Goldmedaille holt er stolz aus der Hosentasche seiner Zimmermannskluft hervor.

Nur einer darf mit

Am Sägewerk der Zimmerei Rehm hängen eine große Deutschlandfahne und ein weiteres Transparent, das auf den frisch gebackenen Europameister hinweist. Er weiß, dass er sich nicht lange auf diesen Lorbeeren ausruhen kann. In zwei Monaten geht das Training wieder los. Im nächsten Februar findet ein Ausscheidungswettbewerb statt, bei dem sich dann entscheidet, wer zur WM nach Sao Paulo fährt. Nur einer darf mit. „Junge Nachrücker sollen auch noch eine Chance bekommen“, sagt Simon, „aber ich hab die besten Chancen, das zu packen“. Bis dahin muss die Zimmerei Rehm wieder oft auf ihren Gesellen verzichten, aber die Familie ist stolz auf Simon und unterstützt ihn gerne. Schließlich war auch Onkel Gottfried bereits 1979 bei einem internationalen Zimmerer-Vergleich.

Nur einmal darf man daran teilnehmen. Und dann? Auf alle Fälle will sich Simon vielleicht noch in diesem Jahr zum Meisterkurs anmelden. Und was ist mit der dreijährigen Walz? In dieser Zeit dürfen sich die Zimmerer ihrem Heimatort nicht mehr als 50 Kilometer nähern. Sie ziehen um die Welt und arbeiten mal hier, mal da. „Da bin ich nicht der Typ für“, winkt Simon gleich ab. „So lang von daheim weg, auf Fußball verzichten… Nee, das ist nichts für mich.“ Er arbeitet lieber im Familienbetrieb und träumt schon mal von einem Fachwerkhaus, das er sich irgendwann mal bauen will.

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