Der Meisterschaftskrimi zwischen zwei Zigaretten

18.5.2017, 17:22 Uhr
Der Meisterschaftskrimi zwischen zwei Zigaretten

© Foto: Oliver Lux

Tevfik Cengiz steht an der Veranda und zieht noch ein letztes Mal an seiner Zigarette. Noch mit Ausatmen des Qualms schnipst er den Glimmstängel zu Boden – sein Blick wirkt entschlossen und konzentriert. "Auf geht’s Männer, holen wir uns das Ding", sagt er in die Runde. Händeklatschen, Schulterklopfer und fokussierte Blicke. Die lockere Atmosphäre wandelte sich in Anspannung. Es wirkte fast so, als würden die von Cengiz betitelten "Männer" um Cem Schwandt, Oliver Hartl und Matthias Weichmann in eine Schlacht ziehen. Und das war es auch: zumindest eine Schlacht der Nerven.

Denn die Tabellenkonstellation der Verbandsliga Nord hätte zum Saisonfinale in Würzburg kaum brisanter sein können. Der punktgleiche Verfolger aus Herzogenaurach war dem Rother Quartett nämlich dicht auf den Fersen, nur das bessere Spielverhältnis verschaffte den TSGlern die Oberhand. Aber die Mannschaft war in Unterfranken bestrebt, dem Rother Billardmärchen ein weiteres Erfolgskapitel hinzufügen. Schließlich konnte das spielstärkste Team der Pool Factory seit dem Anschluss an die TSG zwei Aufstiege verzeichnen – ein weiterer sollte nun hinzukommen. Hinzu kommt, dass nur dem Meister der Sprung in die höhere Spielklasse vergönnt ist.

In der ersten Einzelrunde war dem Tabellenführer allerdings keine Nervosität anzumerken – 4:0 stand es im Zwischenklassement. Der "Capitano" heimste mit einem nahezu perfekten 8-Ball-Satz (6:2) den ersten Zähler ein, Weichmann (7:1) blieb im 10-Ball ohne Schussfehler und auch Schwandt (8:3) ließ nach kurzzeitigem Rückstand im 9-Ball nur wenig anbrennen. Eine weitere Duftmarke setzte Oliver Hartl. Der 18-Jährige, erst kürzlich Bronzemedaillist bei den deutschen Jugendmeisterschaften, ließ mit einer 34er-Serie im 14/1 aufhorchen und gewann sein Match somit deutlich (80:38).

Nun stand eine Doppelrunde an: Zwei Spieler duellierten sich also im Wechselstoß mit einer anderen Spielpaarung. Die Rother Duos bildeten Cengiz/Weichmann sowie Schwandt/ Hartl. Letztere mussten den Satz wegen kleiner Fehler abtreten – auch wenn das 4:6 denkbar knapp an die Würzburger ging. Das Spiel am Nachbartisch war zu diesem Zeitpunkt aber schon längst beendet. Für Cengiz und Weichmann lief es im wahrsten Sinne des Wortes rund. Kein Fehler, kein Ball verschossen, perfekter Satz (5:0) – das Unentschieden war dem Tabellenführer mit dem 5:1 somit schon sicher.

Der erste Dämpfer

Die Entscheidung fiel mit vier weiteren Einzelmatches. Einen ersten Aufstiegs-Dämpfer gab es für Oliver Hartl, der sein 8-Ball (3:6) abgeben musste. Der 18-Jährige begann zwar stark, doch sein Kontrahent trumpfte besonders zum Satzende auf. Auch die Spiele auf den anderen Tischen verliefen zunächst alles andere als positiv. Cem Schwandt lag zwischenzeitlich mit 1:6 zurück und auch Weichmann tat sich schwer und musste über die volle Distanz gehen. Beim Stand von 7:7 sah der 23-Jährige schon wie der sichere Verlierer aus – doch sein Gegner verschoss den Matchball, Weichmann behielt trotz schwieriger Position die Nerven. Nur kurz darauf bescherte Tevfik Cengiz im 14/1 (80:42) den siebten Zähler im Gesamt-Punktekonto.

Während Schwandt noch versuchte, den eigentlich aussichtslosen Rückstand zu drehen, hingen seine Teamkameraden an der Veranda bereits an den Telefonen. Doch einen aussagekräftigen Zwischenstand der Herzogenauracher brachten sie nicht in Erfahrung. Es waren Minuten der Ungewissheit – bis plötzlich Cem Schwandt mit ausgestreckten Fäusten aus der Türe trat. "Ich habe gewonnen", sagte er mit breiten Grinsen in die Runde – mit der Gewissheit, dass seine Worte zugleich den Meistertitel bedeuteten. Denn mit dem 8:2-Sieg war den Rothern unabhängig vom Ausgang der anderen Partie der erste Platz nicht mehr zu nehmen.

Die Blicke waren zu Beginn noch ein wenig ungläubig, doch als die Information dann auch in der letzten grauen Zelle angekommen war, lagen sich die Spieler in den Armen. Wie man das als Meister-Kapitän verdaut? Mit Feuer und Zigarette: "Das muss ich jetzt erst mal sacken lassen", sagte ein sichtlich gelöster Tevfik Cengiz.

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