Die Apostel sind weiblich

21.5.2018, 17:40 Uhr
Die Apostel sind weiblich

© Foto: Robert Unterburger

Ina Schilling malt realistisch und spontan. Ihr Malstil ist beeinflusst vom Expressionismus und Kubismus. Die Künstlerin, ein Urgestein im Landkreis Roth, ist außerordentlich vielseitig. Sie zählt zu den kreativsten und bedeutendsten Malerinnen des Landkreises. Meisterhaft beherrscht sie die Malerei in Öl, Pastell, Kohle und Mischtechnik. Auch die Bandbreite ihrer Motive ist groß. Neben kleinen Bildformaten bevorzugt Schilling riesige Formate, von denen sie auch in der aktuellen Ausstellung "Frauen und mehr ..." einige Exemplare ausstellt.

Einen breiten Raum in ihrem Werk nehmen Frauenbilder ein: Frauen voller Leidenschaft, in graziöser Haltung, in sinnlicher Vereinigung, in Meditation, in schwungvollem Tanz oder in Gedanken versunken. Die Frau ist als Partnerin, Mutter oder Großmutter der Mittelpunkt einer Familie, Vermittlerin von Werten und Idealen sowie Trösterin — die Grundvoraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. Ina Schilling spart in ihren Arbeiten die kulturellen und religiösen Unterschiede im Frauenbild nicht aus. Insofern ist sie auch eine politische Malerin.

Blickfang der neuen Ausstellung ist ein drei Meter langes und 1,40 Meter breites Riesengemälde, das die Künstlerin "Consilium" nennt. Das Motiv ist angelehnt an das weltberühmte "Letzte Abendmahl" von Leonardo da Vinci. "Ich habe aus den langen Haaren der zwölf Apostel weibliche Apostel gemacht", erklärte die Künstlerin. Zentral hinter den Aposteln sieht man einen mächtigen Mond und die Erdteile in angedeuteter Form. "Frauen haben den gleichen Zyklus wie der Mond", so die Künstlerin.

Ein weiterer Blickfang sind die beiden Bilder "Jemanja-Feier" und "Jemanja-Feier Rio": Dunkelhäutige Frauen in weißen Gewändern stehen am Strand der Copacabana mit erhobenen Händen und blicken ins Meer. Im Hintergrund erkennt man den Zuckerhut von Rio. "Yemanja ist die Verkörperung der lebensspendenden Kraft des Meeres", berichtet Ina Schilling, die selbst viele Jahre in Brasilien gelebt hat. "Sie ist die Mutter allen Lebens. Zu ihren Ehren werden ihr Opfergaben ins Meer geworfen: duftende Blumen, Parfüm, Spiegel, Schmuck, bunte Bänder, Kämme, Kerzen, Make-up, Puppen und andere Dinge."

Ina Schillings "Jemanja-Feier" zeigt die Feier am Neujahrstag. "In der Neujahrsnacht feiert jeder, der kann, weiß gekleidet am Strand, springt um Mitternacht über sieben Wellen, wünscht sich etwas und wirft ein paar Blumen für Yemanja ins Meer", erläutert Ina Schilling. "Ursprünglich war Yemanja eine Flussgöttin in Nigeria, mit der Versklavung der Ureinwohner kam sie übers Meer nach Südamerika."

Bemerkenswert erscheint auch das Gesicht einer halb verschleierten Frau, daneben chinesische Schriftzeichen, deren Bedeutung "Frei(heit)" ist. Die politische Anspielung ist hier eindeutig.

Ebenfalls im Großformat (180 mal 90 Zentimeter) ist das Bild "Erde, Wasser, Mensch", das in Mischtechnik ausgeführt wurde. Weitere Frauenbilder tragen Titel wie "Mutter und Tochter", "Träume", "Inderin", "Okzident und Orient", "Multikulturell", "Verzweiflung", "Feuerwerk junger Herzen", "Spaziergang", "Werde frei", "Wohlhabende Inderin", "Kraft der Sonne", "Muslima", "Gut behütet", "Frau Holle", "Leichte Kleidung", "Rotblond", "Fortgeschrittenes Alter", "Befreit" oder "Ich lebe, frei" — um nur ein paar der Titel zu nennen.

Wie entsteht ein Bild bei Ina Schilling? "Ich werde angeregt durch die aktuelle Politik, durch Zeitungsartikel, durch Frauenbewegungen, durch thematische Ausschreibungen, durch interessante Vorkommnisse, die mich reizen, sie bildlich darzustellen, und durch alles, was mich nervt", bekennt die Künstlerin.

Die sehenswerte Ausstellung "Frauen und mehr..." ist eine Retrospektive Ina Schillings mit Werken der letzten 20 Jahre, in denen sie sich mit dem Thema Frauen und Frauenbilder künstlerisch auseinandergesetzt hat.

 

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