Die Heideckerin Angela Stadlbauer wanderte auf dem Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela

13.1.2016, 15:37 Uhr
Die Heideckerin Angela Stadlbauer wanderte auf dem Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela

© Foto: oh

Am 18. März startete ich von zuhause zu meiner viermonatigen Pilgerreise auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela und nach Fatima. Mit elf Kilogramm Rucksackgepäck begab ich mich auf meine abenteuerliche Reise: Vier Monate in denselben Kleidern, 17 Wochen das Leben auf ein existenzielles Minimum reduziert, 121 Nächte in unterschiedlichen Betten, 2800 Kilometer Schritt für Schritt ans Ziel.

In den ersten Tagen begleitete mich noch meine Mutter, dann war ich auf mich alleine gestellt. Der Weg führte mich durch Nürnberg, Rothenburg ob der Tauber, Sinsheim und Speyer. Das Problem der fehlenden Pilgerherbergen in Deutschland löste ich, indem ich, wie Maria und Josef auf Herbergssuche, an die Türen von Pfarrhäusern klopfte, mit der Bitte um ein Dach über dem Kopf.

Freundlich aufgenommen

Dabei wurde ich meistens freundlich aufgenommen, durfte in Gemeindesälen übernachten, wurde mit Decken und Isomatten versorgt und mit Einladungen zum Abendessen oder Frühstück überrascht. Obwohl niemand zu Hause war, vertraute mir eine besonders hilfsbereite Pfarrsekretärin sogar den persönlichen Hausschlüssel an, damit ich am Morgen eine warme Dusche genießen konnte. Das Vertrauen auf dem Camino, wie der Jakobsweg genannt wird, ist grenzenlos.

Hin und wieder gab es aber auch ablehnende Worte: „Tut uns leid, wir sind nicht auf Übernachtungen eingestellt“, hieß es dann. Das bedeutete, nach einem langen Pilgertag alle Kräfte zu mobilisieren, die müden Beine und schmerzenden Füße zu ignorieren und weiterzulaufen.

Bei Sonne, Regen, Sturm und Hitze ging es weiter nach Saarbrücken zur deutsch-französischen Grenze, wo sich erste Sprachschwierigkeiten ergaben. Würden die wenigen Französisch-Kenntnisse ausreichen, um mich umfassend verständigen zu können? Sie reichten aus, und der Jakobsweg führte mich sicher über Metz, Vèzelay, Limoges und Bayonne quer durch Frankreich. Durch Unaufmerksamkeit und mangelhafte Beschilderung verlief ich mich hin und wieder, fand aber jedes Mal auf den richtigen Weg zurück.

Dichteres Netz

Die Herbergssuche gestaltete sich in Frankreich einfacher als in Deutschland, da das Netz der offiziellen Pilgerherbergen dort um einiges dichter gestrickt ist. Das bedeutete aber auch, dass ruhige Nächte seltener wurden; denn meist schliefen weitere Pilger im gleichen Raum und das hieß, Schnarchgeräusche waren an der Tages- beziehungsweise Nachtordnung.

Doch die Begegnungen und Gespräche mit den anderen Pilgern entschädigten für alle unruhigen Nächte. Und hin und wieder geschahen kleine Nettigkeiten einfach so auf dem Weg. Wie die Einladung zum Kaffee von zwei älteren französischen Männern, die mir aus ihrem Küchenfenster nachriefen und zu sich ins Haus baten. Sie versorgten mich mit einer deftigen Brotzeit und mit Wein. Die Kommunikation auf Französisch klappte wunderbar. Fast wäre ich geblieben, so wohl habe ich mich bei den beiden gefühlt.

An der französisch-spanischen Grenze angelangt, entschied ich mich ganz bewusst dazu, den Weg entlang der spanischen Küste zu pilgern. Dort bekam ich für zwei Wochen heimatliche Pilgerbegleitung von Mutter und Schwester.

Und wieder ergaben sich neue Sprachschwierigkeiten. Den Kopf voller französischer Wörter musste ich den Schalter auf Spanisch umstellen, was nicht einfach war.

Aber auf dem Camino ist vieles leichter und selbstverständlicher und bekanntlich ist man dort auch nie alleine. So bildete sich auf dem spanischen Küstenweg, der mich über San Sebastian, Bilbao, Santander und Gijón nach Santiago führte, eine kleine eingeschworene Gruppe an Pilgern. Man traf sich manchmal täglich, manchmal hin und wieder nach langen Pilgertagen unabgesprochen abends in den Herbergen. Der Camino ist eben ein kleines Nomadendorf und man lernt sich unweigerlich ziemlich gut kennen.

Ich genoss diese Zusammenkünfte, kurzweiligen Gespräche und lustigen Abende in den Refugien. Tagsüber war ich gerne mit mir und meinen Gedanken alleine unterwegs. Nur einmal suchte ich bewusst Pilgerbegleitung. Das war der Tag, an dem ich Santiago de Compostela erreichte. Zusammen mit den anderen Pilgern dort anzukommen, nach dieser langen Zeit der Minimierung, Entschleunigung und Zentrierung auf das Wesentliche, ließ mich in Sprachlosigkeit, Ehrfurcht und Dankbarkeit verfallen.

Realismus war in diesem Moment weit, weit weg. Es reichte nur noch für kurze Worte wie „Glückwunsch“ und „Hey…“ und innige Umarmungen, während alle Beteiligten den Kloß im Hals hinunterschluckten. Hier endet der persönliche Bericht.

Noch lange nicht am Ziel

Am Ziel? Noch lange nicht. Die Hardcore-Pilgerin hatte noch nicht genug, schnürte zum wiederholten Male ihre Wanderschuhe und machte sich auf den Weg nach Fatima. Dieses Mal führte sie ihr Weg durch Portugal. Von Porto über Coimbra nach Fatima. „Obrigada – Danke“ ist das einzige portugiesische Wort, das haften blieb. Zu diesem Zeitpunkt war die Aufnahmefähigkeit einfach erschöpft.

Dennoch genoss Angela Stadlbauer die Zeit auf dem portugiesischen Camino. Und in Fatima erlebte sie in Form einer feierlichen Lichterprozession im heiligen Bezirk einen würdigen Abschluss ihrer langen, aufregenden und emotionalen Pilgerreise.

Mittlerweile ist Angela Stadlbauer wieder im deutschen Alltag angekommen. Ihr Fazit der außergewöhnlichen Reise, auf der sie in 121 Tagen 2800 Kilometer zu Fuß zurückgelegt hatte: „Jederzeit wieder!Die beste Entscheidung überhaupt!“

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