Die Hilfsorganisationen im Landkreis Roth haben Nachwuchssorgen

24.8.2017, 14:41 Uhr
Die Hilfsorganisationen im Landkreis Roth haben Nachwuchssorgen

© Foto: HiZ-Archiv

"Nachwuchs zu finden ist definitiv schwieriger geworden", findet Dieter Kobras, der seit 21 Jahren Jugendbetreuer des THW Hilpoltstein ist. "Obwohl eigentlich nicht Nachwuchs zu finden — aber Nachwuchs zu halten", betont er. Die Jugendgruppe des THW Hilpoltstein zählt aktuell 23 Mitglieder zwischen zehn und 18 Jahren. Jedes Jahr fangen im September etwa fünf bis zehn Kinder und Jugendliche an, neu beim THW mitzumachen. Aber sie bleiben nicht mehr so lange wie Ehrenamtliche das früher getan haben.

"Die Vereinsstruktur war auf dem Land doch die einzige Möglichkeit, etwas zu erleben. Heute gibt es viele Freizeitangebote ohne Vereinsmitgliedschaft und die jungen Leute haben unzählige Möglichkeiten", glaubt er. Viele jungen Leute wollten heute nicht mehr so sehr Verpflichtungen eingehen.

Eventcharakter bieten

"Vieles hat heute doch Eventcharakter. Das muss etwas Tolles, Hippes sein — ansonsten lockst du die Leute nicht an", glaubt er. Dass junge Leute jede Woche Zeit für ihr Ehrenamt aufbringen, das werde weniger. "Was uns sehr weh getan hat, ist der Wegfall der Wehrpflicht beziehungsweise des Ersatzdienstes", sagt er. Denn dadurch hätten noch viel mehr junge Menschen beim THW hineinschnuppern können, glaubt Kobras. So war es auch bei ihm selbst: "Ich bin eher zufällig reingerutscht, fand es toll — und bin geblieben."

Spätestens in der Ausbildung oder im Studium zögen viele ihrer Ehrenamtlichen in einen anderen Ort und hörten mit dem Engagement auf, so seine Einschätzung. Alle heutigen Zug- und Gruppenführer hätten schon in der Jugend angefangen. "Dass jemand erst später im Leben bei uns einsteigt, das gibt nach unserer Erfahrung kaum", sagt er.

Zuletzt hat das THW deshalb verstärkt in Schulen und Kindergärten Werbung gemacht. Auch beim Kinderfest in Pyras und auf dem Bauernmarkt waren die Mitglieder der Hilfsorganisation dabei. Das Ziel: Dafür sorgen, dass junge Menschen mit dem THW in Berührung kommen und es positiv in Erinnerung behalten.

Beim Ferienprogramm in Hilpoltstein und Thalmässing werden zum Beispiel Flöße gebaut. "Wir machen keine großen, spektakulären Aktionen, sondern wollen kontinuierliche Werbung betreiben", sagt Dieter Kobras.

Die Kinder und Jugendlichen werden spielerisch an die Gerätschaften hingeführt. "Theoriefragen vermitteln wir in Form von ,Wer wird Millionär‘ oder ,Mensch, ärgere dich nicht‘. Für die Kartenkunde veranstalten wir zum Beispiel eine Funk-Schnitzeljagd", sagt Dieter Kobras.

Das THW habe etwas zu bieten, davon ist der 48-Jährige überzeugt: "Bei uns erleben die Jungs und Mädels etwas." Statt am PC zu sitzen, verbrächten sie viel Zeit draußen und lernten Technik kennen. Das Engagement mache außerdem Spaß und sei ein toller Ausgleich zum Beruf. "Was die Leute bei uns lernen, bringt sie auch persönlich weiter", ist er sich sicher.

Bei der Freiwilligen Feuerwehr in Georgensgmünd sehen die Nachwuchssorgen ähnlich aus. "Früher hatten wir meist 15 bis 20 junge Leute unter 18 Jahren, gerade sind es acht", sagt Klaus Wolfsberger, der selbst seit 28 Jahren bei der Feuerwehr tätig ist. Manchmal würden allerdings gleich mehrere Jugendliche auf einmal mitmachen wollen.

Zivildienst fehlt

"Wenn einer sich dafür entscheidet, kommen die Freunde oft mit", sagt der 45-Jährige. Ende September soll ein Infotag mit Mitmach-Stationen stattfinden, um Nachwuchs zu gewinnen. "Wir schreiben Jugendliche zwischen zwölf und 16 Jahren aus Georgensgmünd an", so Wolfsberger. Warum interessieren sich weniger junge Leute für die Feuerwehr? Er vermutet, dass schulischer Stress und ein Überangebot an Freizeitaktivitäten die Ursache sind. "Das sind aber nur Vermutungen", sagt er.

"Die Nachwuchssorgen treffen uns genauso wie alle anderen", bestätigt Markus Dengler vom Kreisverband Südfranken des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Aktuell engagieren sich rund 1070 Kinder und Jugendliche beim Kreisverband Südfranken im Gebiet Roth, Schwabach und Weißenburg-Gunzenhausen — bei 2390 Ehrenamtlichen insgesamt.

Allerdings mache sich der Wegfall des Zivildienstes besonders stark bemerkbar. Bis zum Aussetzen der Wehrpflicht im Jahr 2011 hätten in diesem Gebiet jährlich rund 20 Zivis mitgeholfen, diese Kräfte fehlten, seit es den Ersatzdienst nicht mehr gibt. "Der Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr federn das nicht alles ab, sondern etwa nur die Hälfte", sagt er. Ehrenamtliche müssten das ausgleichen.

Der Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr werden laut Dengler auch häufig als Überbrückung genutzt. "Einige, die das machen, wollen Medizin studieren und bekommen beim Zulassungsverfahren an der Uni Zusatzpunkte, wenn sie vorher schon im medizinischen Bereich tätig waren."

Um mehr Nachwuchs zu gewinnen, plant das BRK eine Ehrenamtskampagne. "Wir wollen voraussichtlich ab 2018 mit Plakaten und im Internet werben. Allerdings haben wir gerade erst mit den Überlegungen begonnen", sagt er.

Die Situation habe sich stark verändert. "Anders als vor 40 oder 50 Jahren bieten wir nicht mehr als Einzige die Möglichkeit Gemeinschaft zu erleben", sagt Dengler, der Assistent des Geschäftsführers und Beauftragter für Ehrenamt ist. Heutzutage herrsche ein vielseitiges, großes Freizeitangebot. Junge Leute würden sich heute nicht mehr dauerhaft binden wollen — und können.

Viele wüssten nicht, wo ihr Beruf sie hintrage oder die private Planung ändere sich. "Wenn jemand eine Freundin hat, will er natürlich nicht mehr so gern freitagabends durch sein Ehrenamt gebunden sein", sagt Markus Dengler. Bei manchen sei vielleicht das Gehalt knapp und sie hätten deshalb einen zusätzlichen Aushilfsjob — dann bleibe einfach keine Zeit mehr für ein Ehrenamt. "Wenn ein Notfall passiert, sagen alle, da muss sich jemand kümmern, aber keiner kommt darauf zu sagen, ich kümmere mich, ich mach das."

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