Die Reize der süßen „Candy“ aus dem Hause „Igniscum“

14.5.2011, 00:00 Uhr
Die Reize der süßen „Candy“ aus dem Hause „Igniscum“

© Scherbel

Wo ist der Haken an der Wunderpflanze? Kein Haken, glaubt Wilfried Schertel, der von der süßen „Candy“ aus dem Hause „Igniscum“ begeistert ist, bei Bauer Harrer für sie geworben und die Anpflanzung sozusagen ins Rollen gebracht hat.

Und das ging so: Den knapp einen Hektar großen Acker kurz hinter Oberrödel kennt Wilfried Schertel als Jagdpächter sehr gut. Auch die Sorgen damit. Denn ständig sind hier die Wildschweine unterwegs, tun sich am Maisfeld gütlich und rennen dann noch auf die Straße.

Hoher Ertrag

Im Gespräch mit einem Kunden seines Versicherungsbüros kam die Rede auf das Wildschwein-Dilemma, und schon nahte die Lösung. Denn der Kunde Oliver Pickl ist kaufmännischer Leiter der Firma Conpower, die den Knöterich mit Namen Igniscum züchtet und seit zwei Jahren den Sortenschutz, also das Copyright, auf dessen beide Arten Candy und Basic hat.

Pickl griff die Gelegenheit beim Schopf, erzählte dem Jäger vom hohen Ertrag, vom geringen Pflegeaufwand und von vier Meter hohen Stauden — im Vergleich zum Mais, den Landwirt Thomas Harrer derzeit auf diesem Acker anbaut und in seiner eigenen Biogasanlage zu Energie werden lässt, sei Igniscum deutlich vorteilhafter. Zwar wäre der Aufwand  beim Pflanzen selbst größer. Denn da werden nicht einfach nur Samenkörner verstreut, sondern jedes Pflänzchen muss einzeln mit der Pflanzmaschine in ein Bodenloch gesetzt. Auch in den ersten Monaten danach muss sich der Bauer noch darum kümmern, dass das Unkraut nicht über die Energiepflanze hinwegwächst.

Aber dann ist Igniscum ein Selbstläufer, oder besser: Selbstwachser.

Bis zu vier Meter hoch

Ab dem dritten Jahr werden die Stauden bis zu vier Meter hoch, können dreimal jährlich mit dem Häcksler abgeerntet und zu Biogas werden — keine Gentechnik, keine Spritzmittel, kein neues Ansäen oder Umpflügen mehr, ist Wilfried Schertel begeistert. Bestätigt werden diese Fakten auch von Dr. Stefan Binder, dem Biogas-Abteilungsleiter bei Conpower. Der gibt bei der  offiziellen Anpflanzpremiere aber auch zu: Langzeiterfahrungen habe man mit Igniscum noch nicht. Derzeit laufen die Versuche, wie viel Nährstoffe Candy braucht („auf jeden Fall weniger als Mais“) und wie später der Abschied von ihr funktioniere.

Keine Angst,  kann Binder beruhigen, die Pflanze vermehre sich nicht von selbst, sei also nicht so unausrottbar wie der  Knöterich. Aber die Wurzeln der gezüchteten Sorte reichten schon zwei Meter in die Tiefe des Bodens.

Da müsse Landwirt Harrer nach 20 Jahren – oder später – die Pflanze eben öfter schneiden, also „unter Stress setzen“ und sie dann mit Herbiziden füttern. Die sollen sie dann bis zu den Wurzeln abtöten.

Für Landwirt Harrer ist die Sache freilich noch nicht ganz übersehbar. Einerseits glaubt er den Männern von Conpower und seinem Jagdpächter Schertel gern, dass er mit Igniscum insgesamt weniger Arbeit und Aufwand hat, als mit dem jährlichen Aussäen, Päppeln und Ernten von Mais. Drei Ernten im Jahr ohne zusätzlichen Aufwand hören sich natürlich verlockend an.

Auf der anderen Seite stünde der Preis für das neue Wunderkraut: Die Kosten für jedes einzelne Pflänzchen rechnen sich erst nach den 20 Jahren Anbauzeit – „wenns gut läuft“, setzt er dazu.

Neuem aufgeschlossen

Aber der Bauer und auch sein Vater Johann Harrer waren Neuem gegenüber schon immer aufgeschlossen, betont auch Werner Wolf, Leiter des Amtes für Landwirtschaft, der extra zur Anbaupremiere vorbeigekommen ist. Harrer war einer der ersten Biogasanlagenbetreiber im Landkreis – mit der Abwärme wird bis heute fast der ganze Ortsteil beheizt.

Gespannt auf und interessiert an dem schnell wachsenden Energielieferanten ist auch Landrat Herbert Eckstein. Fragen stellt er deshalb so manche. Ob Candy wirklich an Ort und Stelle bleibe, ob sie gentechnik- und chemiefrei sei und ob die Wildschweine dann tatsächlich nicht mehr auf und durch den Acker stürmten, will er wissen – und bekommt viele Antworten.

Nur eins geht ihm weiter durch den Sinn: Warum hat er bisher, wenn die Pflanze so zukunftsweisend ist, nichts von ihr gehört? „Eigentlich höre ich immer das Gras wachsen.Aber in diesem Fall nicht...“