Einbeinige Golfer und ziemlich faszinierte Mitglieder

19.9.2018, 15:44 Uhr
Einbeinige Golfer und ziemlich faszinierte Mitglieder

Michael Schalt, der Clubmanager beim Golfclub Abenberg, redet gar nicht erst lange um den heißen Brei herum: "Das ist absoluter Wahnsinn", sagt der Mitorganisator der bayerischen Meisterschaften für Behinderte. Was Schalt zu diesem überschwänglichen Lob verleitet hat, sind die Leistungen der Sportler, die da am Samstag und Sonntag um die Platzierungen und Pokale gekämpft hatten. Golfen mit Behinderung heißt nämlich noch lange nicht gleich mittelmäßiges Golf.

Die Athleten bringen trotz erheblicher Einschränkungen sehr starke Leistungen und übertreffen den Durchschnittsgolfer bei Weitem. Egal ob im Rollstuhl, auf einem Bein, mit einem Arm, kleinwüchsig oder sehbehindert: Jeder der Sportler versteht es, mit seinem Handicap umzugehen und trotzdem noch solide Schläge auf den Platz zu zaubern. 36 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und Tschechien wetteiferten im Golfclub Abenberg um die internationale bayerische Meisterschaft der Golfer mit Behinderung.

Einbeinige Golfer und ziemlich faszinierte Mitglieder

© Alle Fotos: Golfclub Abenberg

In vier Handicap-Klassen, einer separaten Damenwertung und einer zusätzlichen Sonderklasse für Rollstuhlfahrer spielten die Teilnehmer um die bayerischen Meistertitel. "Bei den Einteilungen für die Klassen gibt es verschiedene Modelle. Die internationalen Verbände waren sich da immer noch nicht so einig", sagt Schalt. In der Kategorisierung Gehbehinderung gibt es beispielsweise trotzdem noch einmal Unterscheidungen zwischen Rollstuhlfahrern oder einbeinigen Sportlern.

Blinde Sportler erhalten ebenfalls eine besondere Betreuung. "Wenn jemand sehr stark sehbehindert ist, stellen wir ihm einen persönlichen Betreuer zur Seite, der zum Beispiel beim Ball auflegen hilft, oder ihn mit der Hand vom Platz führt. Drei bis vier solcher Sportler waren auch am Wochenende in Abenberg dabei. "Bei Deutschen Meisterschaften sind es sogar um die 20", sagt Schalt, dessen Verein künftig auch damit liebäugelt, einmal die Internationale Meisterschaft der Amateure von Menschen mit Behinderung auszurichten. "Da kommen dann Teilnehmer aus ganz Europa und der Welt." Inklusive Qualifikation.

Einbeinige Golfer und ziemlich faszinierte Mitglieder

Doch auch die Ausrichtung der bayerischen Meisterschaften war für ihn und sein Verein schon eine echte Herausforderung. Elektroautos mussten organisiert werden, und die komplette Anlage behindertengerecht umgebaut werden: Mit Rampen und Behinderten-Toiletten. Über 20 ehrenamtliche Helfer halfen mit, begleiteten die Behinderten während ihrer Golfrunde und leisteten Hilfestellung.

Doch der Aufwand hat sich gelohnt: "Unsere Mitglieder waren total begeistert, wie herzlich die Teilnehmer waren und mit welchem Spaß sie an die Sache herangegangen sind", sagt Schalt. Auch Präsident Gerd Kehrbach zog ein positives Fazit: "Es ist jedes Mal faszinierend zu sehen, wie ausgelassen und freudig die Stimmung der Behinderten beim Golfen ist", sagt er und ergänzt: "Wir sind stolz als Golfclub diese tollen Sportler bei uns auf der Anlage zu haben und werden uns auch 2019 wieder für die Austragung der Meisterschaften bewerben."

In die Heumaschine geraten

Es sei ein gutes Beispiel für gelungene Integration, findet auch Michael Schalt. Gerade die Vergleichbarkeit der Leistungen sei beim Golf sehr gut. Behinderte und Nichtbehinderte könnten sich so gegeneinander messen und im direkten Duell gegeneinander antreten. "Es hat ja jeder ein Handicap", sagt Schalt und ergänzt: "In welcher Sportart gibt es das sonst noch? Beim Tennis oder in anderen Sportarten ist das viel schwieriger."

Und mit welcher Beeinträchtigung ist es am schwierigsten zu golfen? Kann man das überhaupt vergleichen? Am meisten Respekt abgenötigt hat ihm zumindest der einbeinige Sportler Thomas Frey. "Er hat den kompletten Platz auf Krücken zurückgelegt", sagt Schalt, "obwohl er die Berechtigung gehabt hätte, ein Auto zu nehmen, hat er alles komplett alleine gemacht."

Frey ist vor 28 Jahren bei einem Praktikum während seiner Studienzeit in eine Heumaschine geraten und hat bei dem Unfall sein rechtes Bein verloren. Drei Tage lang hielten ihn Maschinen am Leben, diese sollten sogar schon abgeschaltet werden. Die Eltern willigetn der Organentnahme im Todesfall ein. Doch Frey erwachte aus dem Koma – und startete ein neues Leben.

Seit 2013 steht der Golfsport im Mittelpunkt. In der Vorgabenklasse C reichte es am Wochenende zu Platz acht.

Das Ergebnis war aber zweitrangig, viel wichtiger war die gute und ausgelassene Atmosphäre. "Da könnten sich auch "normale" Golfer schon mal eine Scheibe abschneiden", sagt Kehrbach. Um Leben und Tod, wie einst bei Frey, geht es auf der Anlage ja auch nicht. Nur um ein für alle Teilnehmer so lieb gewonnenes Hobby: Den Golfsport.

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