Feierabend für E-Lok und Barbie

13.2.2013, 17:50 Uhr
Feierabend für E-Lok und Barbie

© Gsänger

Unzählige Mädchen und Buben haben sich einst die Nasen an den Fensterscheiben plattgedrückt. Kinderaugen begannen zu glänzen, wenn sie in den beiden großen Schaufensterauslagen eine Welt der Begehrlichkeit erspähten. Eisenbahnloks und -wagons von Trix und Märklin, Modellbauflieger, Lego, Playmobil, Spiele aller Art, Plüschbären und süße Püppchen lagen dort ausgebreitet. Zu Fasching gab es tolle Cowboyausrüstungen oder ein schickes Prinzessinnen-Outfit. Kurzum: Bei Spielwaren Lades gab es so ziemlich alles, was das Kinderherz in einer Kleinstadt wie Roth höher schlagen ließ.

Doch auch erwachsene Bastler und Eisenbahnfans wurden fündig, und im ersten Stock gab es eine große Auswahl an Kinderwagen oder Babywippen und Autositze. Und natürlich waren auch Rodelschlitten gefragte Artikel.

1875 begründete Kaufmann Carl Lades die Familientradition. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Kirche eröffnete er in der Hauptstraße 29 ein Gemischtwarengeschäft. Dort gab es Spezereien, Kolonialwaren, Puppen, Spielzeug sowie Kinder- und Leiterwagen. Doch der Kaufmann Lades starb früh. Unter der Bezeichnung „Carl Lades Witwe“ führte dessen Frau das Geschäft bis zum Ende des Ersten Weltkrieges weiter.

In den 1920er Jahren übernahm mit Karl und Babette Lades die zweite Generation das Geschäft, bei dem Spielwaren mehr und mehr in den Mittelpunkt rückten. Ab 1949 schlug die Stunde für die dritte Generation, als Tochter Marianne Lades im Laden stand. Verstärkung erhielt sie, als 1970 ihre Schwägerin Anita Lades ins Geschäft eintrat, die Fritz Lades 1966 zum Traualtar führte. Die gebürtige Röttenbacherin war vor ihrem Eintritt in die Spielwarenbranche Sekretärin bei der Oberpostdirektion Nürnberg. Mit Begeisterung arbeitete sie sich in die Einzelhandelsbranche ein, erhielt im Laufe der Zeit sogar die Befähigung, ausbilden zu dürfen.

Unterstützung erhielten beide Frauen durch Fritz Lades, der neben seiner Berufstätigkeit nach Feierabend und samstags hilfsbereit zur Seite stand, sowie zu „heißen Zeiten“ wie vor Weihnachten schon mal seinen Urlaub fürs Geschäft opferte.

Viel unterwegs

Das Rother Tischtennis-Urgestein, immerhin war Fritz Lades 37 Jahre für die Rother Tischtennisabteilung aktiv und war Mitglied der Meistermannschaft, die 1969 in die Landesliga aufstieg, ging beruflich einen anderen Weg. Der gelernte Industriekaufmann fing bei Leoni an, schaffte aufgrund seiner Sprachkenntnisse den Sprung in die Exportabteilung. Nach einer Zwischenstation bei den Vereinigten Stanniolwerken Roth hängte er ein Studium an, das er mit dem Titel Betriebswirt (grad.) erfolgreich abschloss. 13 Jahre arbeitete er im Export bei der DAM, einer bekannten Angelgeräte-Firma, in Gunzenhausen und bis zu seiner Pensionierung verbrachte er in der Exportabteilung der VAW-Folien-Veredlung in Roth. Stets war er viel unterwegs.

1958 erfolgte der erste größere Ladenumbau. Damals erhielt die Vorderfront des Gebäudes zwei neue große Schaufenster. Was früher im ersten Stock die „gute Stube“ der Familie Lades war, wurde gleichzeitig zur Kinderwagenabteilung umfunktioniert. 1981 wurde der Verkaufsraum neu gestaltet, 1989 kam die erste Etage an die Reihe. Der Kunde fand seither ein attraktives und breitgefächertes Sortiment in hellen und lichten Räumen vor. Der Vedes (Vereinigung Deutscher Spielwarengeschäfte) übrigens schloss sich Lades 1981 an.

Als Marianne Lades 1992 starb, übernahm Schwägerin Anita die alleinige Geschäftsführung. Sie war „die Managerin“, sagt Fritz Lades, der sie nach besten Kräften unterstützte. „Was Eisenbahnen anbelangt, kannte sich meine Frau bestens aus, ich beriet gerne Kunden, die einen Kinderwagen erstehen wollten.“ Dort, im ersten Stock, stand aber auch die große Puppenabteilung, die bei den weiblichen Kunden oft Entzücken hervorrief.

Obwohl ihre beiden Kinder nicht ins Geschäft einsteigen wollten, machten Anita und Fritz Lades unverzagt weiter. Zu Hochzeiten hatten sie auch mal zwei Auszubildende. Vor einem Jahr schließlich fiel die Entscheidung, das Traditionsgeschäft zu schließen. „Wir sind schließlich keine 30 mehr, sondern 71“, gesteht Lades, der die Spielwarenbranche trotz zunehmender Konkurrenz durch Großmärkte oder dem Online-Spielwarenhandel immer noch als eine „wunderbare Branche“ bezeichnet. „Bei uns war spielen nicht nur erlaubt, sondern sogar gewünscht“, schmunzelt Lades, der in seiner Zeit bei DAM im Laden sogar Angeln und Zubehör zum Verkauf anbot.

Aber das Spielverhalten der Kinder hat sich verändert. Viel Technik sei heutzutage gefragt, doch der Umgang mit der Elektronik „ist schließlich nicht mehr so ganz unser Ding“. Trotz aller Konkurrenz und gesellschaftlicher Veränderung, die Familie Lades hatte dem etwas entgegenzusetzen. Vor allem „Herzblut“. Das machte sich besonders in der Beratung und im Umgang mit den Kunden bemerkbar. Immer zuvorkommend, hilfsbereit und mit einem Lächeln auf den Lippen. Und man setzte auf Nischen, wie Tischtennisschläger oder zuletzt besondere Holzkrippen.

Leicht fällt es Anita und Fritz Lades nicht, den Schlüssel letztmals umzudrehen, wenn keine Kunden mehr im Laden sind. „Wir brauchen bestimmt einige Zeit, das alles zu verarbeiten“. Fit halten wollen sie sich jetzt mit ein wenig Sport, und dann ist da noch der große Garten zuhause. „Gesund bleiben und die Tage, die uns noch zur Verfügung stehen, mit Freude sinnvoll nutzen“, gesteht Fritz.

Und was passiert mit dem Laden? Vermieten möchte man die jeweils 100Quadratmeter großen Verkaufsräume im Erdgeschoss sowie im erstenStock eigentlich schon, auch wenn man weiß, dass dies sehr schwer sein wird, da der Einzelhandel heutzutage generell ums Überleben kämpfen muss. Etwas wehmütig bleiben da Erinnerungen zurück, wie Kindernasen sich an der Schaufensterscheibe plattdrückten oder die Augen der Kleinen beim Anblick von knuddeligen Teddys oder hübsch gekleideten Puppen plötzlich zu glänzen begannen.

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