Frank Zimmer: Im Garten den Blick zum Himmel richten

25.8.2015, 17:43 Uhr
Frank Zimmer: Im Garten den Blick zum Himmel richten

© Foto: Viola Bernlocher

„Das ist hier schon ein auratischer Ort“, sagt Pfarrer Frank Zimmer und richtet sich in seinem Gartenstuhl auf. Vor ihm stehen zwei große Teleskope, er sitzt in seinem Garten, dem riesigen Pfarrgarten, der zu Kirche und Pfarrhaus von St. Gotthard in Thalmässing gehört. Eine weite Wiese erstreckt sich hier, mit einigen Apfelbäumen in der Mitte. Seine Teleskope, die sind es, die den Ort auratisch machen, ihm eine besondere Aura verleihen.

Weltlicher Blick

Seit acht Jahren schaut Zimmer regelmäßig nach oben, manche würden hier den Blick zu Gott vermuten, Zimmer aber sieht trotz seines Pfarrberufs erst einmal ganz weltlich Planeten, Nebel, Sternhaufen. Die Astronomie mag kein ganz ungewöhnliches Hobby sein für einen geistlichen Mann, schon früher waren es die (religions-)gelehrten Männer, die mit Fernrohren den Blick in den Himmel wagten, damals, als Sternenschau und Sternendeutung noch untrennbar miteinander verbunden waren.

Frank Zimmer war schon immer von der Astronomie fasziniert, mit seinem Großvater in Ottensoos sei er in seiner Jugend oft nachts aufs Feld gegangen und habe mit Feldstecher und Fernrohr in den Himmel geschaut. Feldstecher und Fernrohr hat er immer noch, seit acht Jahren aber betreibt er die Astronomie professioneller, hat sich in Büchern und in einem Internetforum das nötige Wissen angelesen, hat sich Teleskope angeschafft. Der Pfarrgarten bietet genügend Platz und unverbauten Himmel dafür. Denn die Teleskope sind beileibe kein Spielzeug, sondern hochgradig professionelle Geräte. Der Frontlinsendurchmesser des „Lichteimers“, so nennt sich das große Teleskop in der Fachsprache, ist größer als der Durchmesser einer gewöhnlichen Küchenuhr. Das andere Teleskop ist etwas schlanker, dafür länger, damit beobachtet Zimmer Planeten.

Ein Verlängerungskabel zieht sich vom Haus her über die Wiese, denn mit der Hand werden die Geräte heutzutage nicht mehr eingestellt. Zimmer tippt kurz auf einer Fernbedienung herum, dann surrt das Teleskop los und visiert den Saturn an. Wenn jetzt, wie an jenem Abend, keine Wolken über der Jurahöhe hängen würden, könnte man den Saturn dort aufsteigen sehen — den ganzen Abend lang, denn sowohl der Lichteimer als auch das kleine Teleskop haben beide eine automatische Nachführung, die dem anvisierten Planeten oder Himmelskörper folgt.

Für Zimmer ist das essentiell, denn er beobachtet Planeten nicht nur, sondern fotografiert sie auch. Mit einer speziellen Kamera für Astrofotografie kann er den Planeten so richtig nahe kommen, denn manche wie den Pluto kann man mit bloßem Auge nicht erkennen, auf Fotos bei entsprechend langer Belichtung jedoch schon.

Decke über die Laterne

Wenn Zimmer fotografiert, dann nimmt er für gute Bilder so einiges in Kauf. So schaltet er manchmal die helle Kirchenbeleuchtung von St. Gotthard einfach ab und hängt eine Decke über die Straßenlaterne, die direkt in seinen Garten scheint, um das auf dem Foto störende Umgebungslicht los zu werden. Denn um das schwache Strahlen Lichtjahre entfernter Sterne einzufangen, muss er seine Fotos sehr lange belichten — manchmal die halbe Nacht lang.

Oft muss er auch aufstehen, um das Teleskop neu einzustellen und zu überprüfen. Manchmal legt er sich aber auch mit einem Tee und einer Decke auf die Gartenliege und genießt neben seinen Teleskopen und mit einer seiner vier Katzen als Gesellschaft den Blick in den Sternenhimmel. Hier ist er wieder, beim auratischen Ort, beim inspirierenden Blick in den Himmel. Er lebt ganz mit der These des Theologen Friedrich Schleiermachers, derzufolge man Gott auch durch „Anschauung und Gefühl“ erfahren kann. Durch „Anschauung jenseits von Denken und Handeln“, konkretisiert Zimmer. Für ihn ist der Ort in seinem Garten vor seinen Teleskopen ein „Ort der Meditation“, ein Ort, der zeigt wie groß das Universum, wie klein der Mensch ist. „Für mich hat das auf jeden Fall eine spirituelle Komponente“, sagt Frank Zimmer. Das, die Astronomie, die Astrofotografie, aber auch ganz schlicht die Sternenbeobachtung.

Bilder für den Newsletter

Diese Leidenschaft hat er nicht ganz alleine. Auch seine Frau Astrid, die den technischen Details der Profi-Teleskope nicht so viel abgewinnen kann, wirft doch hin und wieder gerne einen Blick durch die Teleskope in den Himmel. Auch die beiden Söhne der Zimmers, Max (7) und Christian (6) sind interessiert, was Papa nachts allein im Garten macht und kennen sich auch schon etwas aus.

40 bis 50 Nächte im Jahr verbringt Zimmer an seinen Teleskopen, die Bilder die er dabei schießt, sind manchmal grandios und gestochen scharf, manchmal aber auch nur für den virtuellen Papierkorb. „Das Wetter muss ganz klar sein und es gibt so viele Störfaktoren, mindestens die Hälfte der Nächte ist umsonst“, erklärt Zimmer. In einem Newsletter verschickt er dann besonders gelungene Bilder.

Doch nicht nur per Mail teilt er seine Leidenschaft für das Firmament, hin und wieder veranstaltet er auch Astro-Abende im Pfarrgarten, auch die Thalmässinger Kindergärten waren schon öfter bei ihm. Zur Sonnenfinsternis im Frühjahr hatte er seine Teleskope mit Filtern ausgestattet und bot allen Interessierten einen sicheren Blick zur Sonne.

Und so ist Frank Zimmers Lieblingsplatz in seinem Garten nicht nur sein persönlicher Kraftort, sondern auch ein Ort der Begegnung.

 

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