Furioses Bluestage-Finale mit Verspätung

15.4.2018, 16:00 Uhr
Furioses Bluestage-Finale mit Verspätung

© Foto: HvD

Ein Weisheitszahn hatte Schuld. Weil er sich entzündet hatte und Jesper Munk den Mund nicht mehr auf bekam. "Eine Kinderkrankheit", murmelt Munk mit verschmitztem Lachen und bedankt sich bei seinen zahlreich erschienen Fans – nicht wenige davon weiblich und jung – für das Wiederkommen nach dem überraschenden Konzertausfall bei den Rother Bluestagen. Gut 500 Menschen haben den Weg in die Kulturfabrik gefunden, um einen Künstler zu hören, der sich gerade wieder einmal neu erfindet, sich stilistisch anders ausrichtet, den Purismus hinter sich lässt.

Monika Ammerer-Düll und Silke Rieger hatten im Vorfeld der Bluestage angekündigt, das Festival bewusst auch anderen Stilen zu öffnen. Dieser Vorgabe folgt unbewusst auch Jesper Munk, denn von dem noch etwas unfertig wirkenden Jungblueser, der mit Anfang 20 schon eine ausgeprägte Whiskystimme hatte und sich im Skandieren düsterer Songs gefiel, ist nur wenig übrig geblieben. Munk und seine ausgesprochen knackig klingende Begleitband, allen voran der virtuose Graufuchs Knox Chandler an der zweiten Gitarre, oszillieren zwischen verschiedenen Genres völlig entspannt hin und her und servieren dabei einen historischen Bilderbogen der Popmusik des ausgehenden 20 Jahrhunderts.

Zentral und wichtig ist der Einfluss David Bowies, an den Munk inzwischen nicht nur optisch mit Strubbelfrisur, Lipgloss und Tattoo erinnert, sondern dem er auch musikalisch mit intelligenten Glamrock-Zitaten und einer Prise meditativ-hypnotischer Düsternis huldigt. Und das sind noch längst nicht die dicksten Bretter, die der 25-Jährige an diesem Abend bohrt. Es dürfen auch mal Anklänge an Lou Reed oder James Brown sein und sogar die späten Pink Floyd stehen unüberhörbar auf der Liste der Munk-Vorbilder. Was zur Freude der Rockfans im Saal für ausgedehnte Gitarrensoli mit psychedelischer Grundierung und viel Druck sorgt – auch Roger Waters und Co. waren nicht immer leise und schmusig.

Bei Jesper Munk, der sich in seinen Anfangsjahren gerne als beinharter Blueser und Erbe der Rootsblues-Ikonen gab, hat sich allerdings eine grundlegende Kursänderung vollzogen: Der Blues steht nicht mehr im Mittelpunkt, die neuen Songs fühlen sich eher nach einer Identitätssuche an, in der vieles ausprobiert wird, in der ein Musiker mit weitem Horizont nach einem eigenen Weg sucht. Die Bluesfreunde mag Munk aufs erste Hinhören mit dem neuen Konzept irritieren, über eine komplette Konzertdistanz tragfähig sind die oft recht ruhigen, chilligen, entspannten Stücke aber dennoch.

Was nicht zuletzt daran liegt, dass Jesper Munk und seine Combo mit spürbarer Leidenschaft zu Werke gehen, dass aus dem Jungspund von vor ein paar Jahren einer geworden ist, der die Mechanismen des Business hinterfragt und selbst entscheidet, was ihm taugt und was nicht. Inzwischen traut Munk sich sogar, ganz allein am Flügel den knorrigen Sänger-Songschreiber Tom Waits zu covern – und damit die intime Clubatmosphäre in der Kufa noch zu vertiefen. Für Gänsehaut-Momente ist der Frauenschwarm und dezidierte Charismatiker Munk gut, obwohl seinen eigenen Songs immer noch jener Tiefgang abgeht, den nur die Jahre bringen können. Dennoch: Mit diesem Musiker ist auch in den kommenden Jahren zu rechnen, da kommt noch viel mehr…

 

Weitere Bilder unter www.nordbayern.de/roth

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