Gernstl trifft Gott und die Welt im Landkreis Roth

17.6.2018, 06:00 Uhr
Gernstl trifft Gott und die Welt im Landkreis Roth

© H.P. Fischer

Was ist Glück? Für den britischen Psychologen Pete Cohen geht die Rechnung so: P + 5E + 3H. Der Volksmund mag‘s weniger minimalistisch und meint: Das Glück liegt auf der Straße. Selbiges hat BR-Dokumentarfilmer Franz Xaver Gernstl offenbar beherzigt und sich mit Kameramann Hans Peter Fischer sowie Tontechniker Stefan Ravasz ins Auto geschwungen.

1983 war das. Seither tourt das Team im knallroten VW-Bus durchs In- wie Ausland, um Menschen zu begegnen, die ihr Glück womöglich schon gefunden oder sich auf die Suche nach ihm gemacht haben: Alltagsphilosophen, Weltverbesserer, Originale und vollkommen "normale Leut‘" mit einer ganz eigenen Perspektive aufs Leben. Das Spiel mit der Spontaneität geht auf: Die BR-Serie "Gernstl unterwegs" ist mehrfach preisgekrönt und darf sich einer treuen Fangemeinde rühmen. 

Legendäres Sortiment

Den Burmann? Lassen sich die Rother gern auf der Zunge zergehen. Vor allem das Bratwurst-Sortiment der Metzgerei ist legendär. Immerhin stammen die unterschiedlichen Rezepturen aus aller Herren Länder.

Nein, "keine verrückte Woar" im Sinne einer besonders ausgefuchsten Marketingstrategie habe er damit auftischen wollen, stellt Metzgermeister Martin Burmann aus Pfaffenhofen gleich mal klar. Vielmehr gehe es darum, dass seine internationalen Gäste etwas von sich zurücklassen. Völkerverbindendes. Und warum nicht im Wurstformat?

"HelpX" heißt eine Plattform, auf der sich die Burmanns als Gastgeber angemeldet haben. Seitdem kommen immer wieder Helfer von rund um den Globus ins kleine Pfaffenhofen, weil sie den Hausherrn dort gegen Kost und Logis in Hof und Laden zur Hand gehen wollen (wir berichteten).

Das funktioniert prächtig, wie bestätigt wird. Und seither gibt es in der Metzgerei eben auch Bratwurstrezepte von überall her: eine Whiskey-Honig-Kreation aus Texas, Spicy Beef aus Australien, Soggy Bottom aus Neuseeland, Sicilianachess aus dem Süden Italiens, indische, brasilianische oder mongolische Varianten – um nur wenige der knapp 40 Rezepte aufzuzählen.

Geschmacksoffensive

Eine dufte Sache — im Wortsinn! Scheinbar hat sich dieser Duft nun seinen Weg bis in die Landeshauptstadt gebahnt. Denn dort, in München, kam das Team des BR-Dauerbrenners "Gernstl unterwegs" prompt auf den Geschmack. Anfang April steuerte es gen Pfaffenhofen — direkt aufs Grundstück von Martin Burmann zu, um die internationale Gaumenoffensive des Metzgers zu filmen.

Als Burmann zum ersten Mal vom Ansinnen der Münchener hörte, habe er lapidar erwidert: "Dann kommt‘s halt". Aufgeregt sei er nicht gewesen, "warum denn?" Schließlich wähnte sich Burmann in seinem Element und stellte das vor der Kamera unter Beweis.

Zunächst wurden regionale Zipfel gekuttert, danach durfte der chilenische Praktikant Guillermo ran. Doch weil der ein bisschen "fremdelte", forderte der Chef sein prominentes Gegenüber aus München kurzerhand auf: "Mach‘ halt du a Bratworschd!"

"Hat scho bassd!"

Franz Xaver Gernstl habe sich das nicht zweimal sagen lassen. Und nachdem die Fernsehleute auf den unkonventionellen Gedanken einer "Brotbratwurst" verfallen waren, legte man los.

Martin Burmanns fränkisches Urteil über die mit Brotgewürzen angereicherten Gourmethappen (siehe Rezept): "Wir haben sie gleich gegrillt und getestet – hat scho bassd!"

Gespannt ist der Metzger jetzt allemal, "was sie im Fernsehen aus unserem Gespräch machen". Denn dass beim Dreh "über Gott und die Welt" geplaudert wurde, gehört zur Gernstl-Strategie wie die Fleischmasse in den Wurstdarm.

Das Sammelsurium des Herrn Nikitka

Gernstl trifft Gott und die Welt im Landkreis Roth

© H.P. Fischer

Über Gott und die Welt... — Wo ließe sich ein solcher Plausch aber besser einleiten als in einer Kirche? "Wir haben uns dort getroffen", bestätigt der evangelische Ortsgeistliche von Eckersmühlen, Pfarrer Bernhard Nikitka. "Etwas verblüfft" sei er gewesen, als ihn der Anruf von Gernstls Aufnahmeleiterin Nicole Islinger ereilte: "Ich dachte eigentlich, das Thema ,Nikitka und seine Tiere‘ ist durch".

Die französische Bulldogge, der Mops, die drei Katzen, zwei Hängebauchschweine, die Ziege, fünf Hühner, drei Laufenten sowie diverse Aquarien- und Terrarientiere wie etwa Vogelspinne "Frau Schmidt", die allesamt im Anwesen Nikitka residieren, seien schließlich schon mehrfach in den medialen Fokus genommen worden. Unter anderem durch den Bayerischen Rundfunk.

Ein Meister des Talks

Trotzdem sagte Bernhard Nikitka zu und sei angenehm überrascht gewesen von seinem "unaufdringlichen, gebildeten und sehr interessierten" Gesprächspartner Franz Xaver Gernstl, "der die Kunst der klassischen Konversation zweifelsohne beherrscht" und der es verstehe, die Kommunikation "mit gezielten Rückfragen zu lenken".

Nikitka habe somit "in angenehmer Atmosphäre" von seiner Geburt als "Staatenloser" berichtet ("Die Geschichte meines Vaters"); von den motivationalen Gründen, ein Theologiestudium aufzunehmen; von seinen Plänen, nach dem Berufsleben in Griechenland sesshaft zu werden, und nicht zuletzt von seiner religiösen Sicht auf die Welt, die fundamentalistischen Schöfpungstheorien diametral entgegenstehe: "Ich habe mich nie als besonders fromm erlebt, sondern eher als liberal denkend und als jemanden, der aus der naturwissenschaftlichen Richtung kommt."

Dass er vor diesem Hintergrund "eine große Nähe zur Schöpfung" empfinde, sei für ihn kein Widerspruch – auch das habe er Gernstl wissen lassen: "Ich bewundere Gott für sein Tun mit den Augen des Naturwissenschaftlers", lautet Nikitkas Credo.

Damit scheint er Franz Xaver Gernstl für sich eingenommen zu haben. Denn der will am 24. Juni nach Eckersmühlen zurückkehren und Bernhard Nikitka in Aktion erleben – auf der Kanzel.

Ob es danach Brotbratwürste gibt, ist nicht bekannt...

Die in Pfaffenhofen und Eckersmühlen gedrehten Szenen mit Metzgermeister Martin Burmann sowie Pfarrer Bernhard Nikitka sind voraussichtlich zwischen Weihnachten und Neujahr im BR zu sehen. Der genaue Sendetermin wird beizeiten bekannt gegeben.

Keine Kommentare