Harry Dreißig: Das Wasser lässt ihn nicht los

4.9.2015, 19:29 Uhr
Harry Dreißig: Das Wasser lässt ihn nicht los

© Foto: Marcel Staudt

Wer wissen möchte, wie eine Schleuse funktioniert, sollte sich einfach mal mit Harry Dreißig unterhalten. Oder mit dessen Enkel Felix. Der muss schließlich auch erzählen können, wie die Schiffe rein und auf der anderen Seite wieder raus kommen, er hat das ungezählte Male zusammen mit seinem Opa beobachtet. Gemeinsame Ausflüge mit dem Rad führten Felix und Harry Dreißig regelmäßig von Pruppach hier an die Schleuse nach Leerstetten.

Lang ist es her. Felix ist mittlerweile 23 Jahre alt und studiert Informatik in Erlangen. „Er ist sehr strebsam. Er möchte noch bis zum Master weitermachen, obwohl er jetzt schon eine Stelle haben könnte“, sagt Dreißig stolz. Der Großvater kommt dagegen immer noch regelmäßig an die Schleuse, mindestens einmal pro Woche. Obwohl es körperlich nicht mehr so einfach ist, wie früher mit Felix. Das Fahrrad muss seit einigen Jahren in der Garage bleiben, nach mehreren Krankheiten ist der 86-Jährige nicht mehr in der körperlichen Verfassung, um in die Pedale zu treten.

Glücklicherweise ist Dreißig aber noch fit genug, um mit dem Auto zu fahren. Dann stellt er es immer an dem rund 50 Meter von der Schleuse entfernten Schild, das die Durchfahrt verbietet, ab. Naja, an wirklich schlechten Tagen ist Dreißig auch schon mal vor bis an die Schleuse gefahren, verrät er. Welche Polizeistreife könnte diesem älteren Herren mit den wachen Augen und gütigem Lächeln schon böse sein, wenn er die letzten Meter noch mit dem Auto gefahren ist — zu dem Ort, den er so sehr schätzt. „Wegen der Ruhe hier“, sagt Dreißig. Aber nicht nur.

Aufgewachsen ist er in Beuthen an der Oder, auch im Urlaub hat es ihn immer wieder ans Wasser gezogen. „Ich bin immer viel geschwommen“, sagt Dreißig. Mit der Schifffahrt hat er es eigentlich nie so gehabt. Er freue sich aber trotzdem, wenn ein Kahn den Kanal entlang kommt.

Das muss aber innerhalb einer Viertel- oder halben Stunde passieren. Länger bleibt Dreißig hier nicht, auch weil es keine Sitzmöglichkeit unmittelbar an der Schleuse gibt. Selbst an Tagen, an denen „tote Hose herrscht“, wie Dreißig sagt, ist es hier nicht langweilig. Ein paar Radfahrer finden immer den Weg. Wenn sie an der Schleuse vorbeifahren, könnte es sein, dass Dreißig gerade in Gedanken versunken am Geländer über der Brücke lehnt und den Blick über den Kanal schweifen lässt. „Hier hatte ich schon die ein oder andere gute Idee“, sagt Dreißig.

Beispielsweise für Aktivitäten der freiwilligen Feuerwehr Pruppach und der Schachgemeinschaft Büchenbach/Roth. Bei FF und SG ist der seit 1950 in Pruppach Lebende seit Jahrzehnten Mitglied. Urkunden dokumentieren, wie viel er für beide Vereine geleistet hat. Vorsitzender, Spielführer, Pressewart, Schriftführer — ach, die Liste würde deutlich kürzer ausfallen, wenn man einfach aufzählen würde, welche Ämter Dreißig noch nicht ausgeführt hat. Selber ist er der Meinung, „dass diese Urkunden eine schöne Bestätigung für die geleistete Arbeit, aber gar nicht so wichtig sind.“ Dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber war 19999 das Wirken Dreißigs aber so wichtig, dass er es mit dem Ehrenzeichen für Verdienste im Ehrenamt würdigte.

Bei aller Bescheidenheit: Dass er sehr gut organisieren kann, sagt Dreißig auch selbst. Er hat zahllose Veranstaltungen für FF und SG hochgezogen und ist heute immer noch für beide tätig. „Feuerwehr und Schach“, sagt Dreißig, „das sind meine beiden Standbeine.“ Außerdem ist er ein sehr genauer Mensch, wenn es um seine eigene Mannschaft geht. Spielen die Schachleute ihre Vereinsmeisterschaft aus, spielt Dreißig abends mit Hilfe des Schachcomputers jede einzelne Partie der drei Erstplatzierten nach. Zug für Zug. „Damit sich nicht irgendwo ein Fehler eingeschlichen hat.“

Und wenn der Ehrenvorsitzende der SG einen findet, dann ruft er die Betreffenden an und bittet um Korrektur. Erst, wenn auch wirklich alles zu 100 Prozent stimmt, gibt er den Bericht an die Presse raus. Wenn Dreißig heute am Geländer über der Brücke an der Schleuse lehnt, dann kreisen seine Gedanken vor allem um die Vergangenheit. „Ich denke daran, dass ich ein sehr schönes Leben hatte und immer noch habe.“ Mit Frau Ingeborg ist er seit 60 Jahren verheiratet, Sohn Wolfgang lebt in Pruppach, Tochter Brigitte in Vorra. Und da gibt es ja auch noch Felix, den viele Erinnerungen an die Ausflüge zur Schleuse mit dem Opa verbinden. Noch wird damit nicht Schluss sein, zumindest mit dem Großvater nicht: „So lange es noch irgendwie geht, will ich noch oft hierher kommen.

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