Landkreis Roth: Generationen im Gespräch

12.4.2014, 00:00 Uhr
Landkreis Roth: Generationen im Gespräch

© Marcel Staudt

Ottilie Tubel-Wesemeyer blickt zu den Jugendlichen im Stuhlkreis. „Wer würde helfen?“, fragt die Sachgebietsleiterin für Senioren und Soziales am Landratsamt. Wer würde helfen, wenn auf der Straße ein Senior spaziert, im Morgenmantel und mit Schlappen an den Füßen, scheinbar ziellos?

So wurde es Minuten vorher in einem Film gezeigt. Ein verwirrter, älterer Herr wird von der Polizei gefunden. Die Beamten gehen etwas rabiat mit ihm um, dabei will der Mann eigentlich nur zu seinen Eltern laufen. Doch wohin er muss, weiß er nicht, sein Name fällt ihm auch nicht ein.

Stichwort Demenz. Um Jüngeren ein Bewusstsein für diese Krankheit zu vermitteln, bat das Landratsamt zusammen mit der Volkshochschule und dem „Augustinum“ zum Generationengespräch ins evangelische Gemeindehaus. Rund 30 Schüler der achten, neunten und zehnten Klassen der Realschule nahmen an. Nicht aus Zwang, sondern weil sie sich mit dem Thema auseinandersetzen wollen. „Ihnen wurde freigestellt, ob sie mit zum Generationengespräch oder im Unterricht bleiben möchten“, sagt Ethiklehrerin Linda Braun.

Also: Wer würde helfen? Überall im Raum schnellen Finger nach oben, kaum ein Jugendlicher bleibt reglos sitzen. Das überrascht die Seniorin Gertraud (Name geändert): „Ich dachte immer, die Jungen können mit uns Alten nichts anfangen.“ Doch sie irrt. Die jungen Gesprächsteilnehmer können sogar eine ganze Menge mit den Alten anfangen — und mit dem Thema Demenz.

Vorbereitung im Ethikunterricht

Im Ethikunterricht haben sie sich auf das Generationengespräch vorbereitet. Die Neuntklässlerinnen Julia, Lyn und Caycee haben sogar ein Plakat gebastelt. Auf dem sind unter anderem helfende Hände zu sehen. Helfende Hände, von denen es nach Meinung der drei Mädchen zu wenige gibt. „Die Gesellschaft sollte mehr für ältere Menschen tun und auf sie zugehen“, wünscht sich Caycee.

Das versuchen die Initiatoren seit einigen Jahren mit den Aktionstagen „Älter werden, Zukunft gestalten.“ Kernstück ist in jedem Jahr das Gespräch zwischen Jung und Alt. Nach beispielsweise „Liebe und Sexualität bei Senioren“ geht es in diesem Jahr um die Krankheit, an der rund 1,4 Millionen Männer und Frauen in Deutschland erkrankt sind: Demenz.

Gekommen sind neben den Schülern auch Bewohner des Awo-Pflegeheims in Wendelstein und Senioren, die körperlich wie geistig topfit sind und deshalb noch in den eigenen vier Wänden wohnen.

Klaus Pippan vom Awo-Pflegedienst übernimmt die Moderation. Er zeigt zwei Filme, einen über den zu Beginn beschriebenen älteren Herrn und einen über eine Seniorin, die sich im Supermarkt nicht mehr zurechtfindet und viel zu viel Klopapier kauft. „Sie hat gehortet, das ist Verhalten aus den Kriegsjahren, weil es damals sehr wenig gab“, sagt Christine (Name geändert) in der Diskussionsrunde. Sie selbst ist trotz ihrer 80 Jahre noch sehr rüstig und besucht sämtliche Veranstaltungen der Aktionstage. „Ich bin froh und dankbar, dass es mir noch so gut geht“, sagt sie. Durch Unternehmungen mit ihren Enkelkindern hält sie sich fit.

Bis sich die Schüler übers Fitbleiben im Alter Gedanken machen müssen, wird es noch viele Jahre dauern. Dass sie schon jetzt über Demenz nachdenken, war das Ziel von Moderator Klaus Pippan. Er hat es offenbar erreicht.

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