„Jeder Hut ist eine kleine Revolution“

12.7.2013, 18:47 Uhr
„Jeder Hut ist eine kleine Revolution“

© Bittner

„Kind, tu’ dir das nicht an!“ hatte Petra Espichs Mutter, eine erfahrene Berliner Damenmaßschneiderin, ihrer Tochter beizeiten geraten. Und weil Petra Espich ein folgsames Mädchen war, begrub sie ihre Schneiderlehre-Ambitionen alsbald, trat eine Stelle als technische Angestellte an und ward zufrieden. Vorerst. Denn in den kreativen Fingern juckte es die heute 57-Jährige, die näht „seit ich zehn bin“, nach wie vor.

Das entging auch ihrer Tochter Julia nicht. Also organisierte die anno 2006 „den etwas anderen Nähkurs“ für Mama: bei einem bekannten Hut- und Putzmacher in der Schweiz. Ab da, erinnert sich Petra Espich, „hatte ich wieder so richtig Blut geleckt“. Soll heißen: Hüte entflammten die nie verloschene Design-Leidenschaft neu.

Sechser im Lotto

Petra Espich begann umgehend, nach dem nötigen, aber raren Arbeitsmaterial zu fahnden. Das Internet leistete dabei wertvolle Dienste, der Zufall tat ein Übriges: „Ich war eigentlich nur auf der Suche nach Federn, als ich beim Surfen auf diese Frau in Berlin gestoßen bin. Die wollte ihre komplette Hutwerkstatt verkaufen...“. Ein Sechser im Lotto.

Petra Espich und ihr Mann Gerald fackelten nicht lange. Das handwerksaffine Paar, das beinahe ein Jahrzehnt lang den Historischen Eisenhammer in Schuss gehalten hatte, war sich der Bedeutsamkeit des Internetfundes wohl bewusst — und griff zu.

Inzwischen haben die Schätze aus der Bundeshauptstadt längst ihren Platz im Hilpoltsteiner Anwesen der Espichs bezogen. Droben unterm Dach reiht sich nun Holzrohling an Holzrohling. In den unterschiedlichsten Ausführungen.

„Die braucht man, um die Filzstumpen drüber zu ziehen“, beantwortet Petra Espich fragende Blicke. Das hölzerne Sammelsurium sei somit der Anfang von allem: „Wenn man nämlich den Stumpen über der Holzform mittels Wasserdampf in die gewünschte Gestalt bringt, wird der Hut geboren. Ein tolles Erlebnis!“, schwärmt da eine passionierte Modistin, die im richtigen Leben bei den Schwabacher Stadtwerken schafft.

Hutmachen sei quasi der Ausgleich dazu. Einer, „bei dem ich mich vergessen kann“, sagt Petra Espich, während sie einen weiteren Hort an Preziosen öffnet: Federn, Blüten, Borten, Bänder, Knöpfe und andere Kostbarkeiten.

Kappe und Flapper

Denn ist besagter „Stumpen“, also die archaische Ursprungskappe – ob Filz oder Stroh – erst einmal „kultiviert“, beginnt der kreative Part. Dann wird der Rand beschnitten, abgesäumt oder gefaltet. Und wie es Petra Espich gefällt, entwickeln sich daraus Kappen, Flapper, Trilbys, Bowler, Glocken-, Topf-, Trachtenhüte oder manches Headpiece.

Vor allem Letzteres lebt vom „Putz“, den Petra Espich aus ihrer „Kramkiste“ zieht. Denn erst ein neckisches Pfauenauge, knackige Früchtchen, Klöppelwaren & Co. verleihen den Hüten Charakter. Aber nicht nur ihnen.

Auch auf die Trägerinnen springe diese Individualität über. „Wenn ich Hut trage, wird geguckt“, verrät Petra Espich. Dabei muss es gar nicht das extravagante Modell sein, das die Leute einen zweiten Blick riskieren lasse. Selbst alltagstaugliche Varianten würden für Aufsehen im besten Sinne sorgen.

Woran das liege? „Jeder Hut ist eine kleine Revolution seiner Trägerin“, wähnt sich Petra Espich gewiss. Das gründe in der Kulturgeschichte des Hutes. Denn der markierte früher sowohl den sozialen Stand, als auch die politische, religiöse oder ethnische Zugehörigkeit seiner Besitzer.

Natürlich, Zeiten ändern sich. Doch geblieben sei der Umstand, „dass der Hut etwas Besonderes aus seinem Träger macht“. Spürbar. „Man bewegt sich anders, geht aufrechter mit Hut“, durfte Petra Espich selbst feststellen. Viele hunderte Exemplare hat sie daher in den vergangenen sechs Jahren ambitioniert über den Holzrohling gezogen und dann mit Nadel und Faden zu Schmuckstücken transformiert.

Da wäre zum Beispiel der schwarz-rote Flapper mit aufwändigem Lochmuster, für den Gerald Espich eigens eine aufwändige Schablone entworfen hat. Oder der gelb-schwarze Trilby, der Londonchic aufs Haupt zaubert. Da ist der himmelblaue Trachtenhut, auf dem – passend zur Borte – ein Federarrangement lustig daherwippt und da sind die Topfmodelle im 20er-Jahre-Stil, die Petra Espich so liebt.

Fünf Stunden Minimum

Fünf Stunden Arbeitszeit Minimum stecken in jedem der Exemplare, die zwischen 30 und 150 Euro kosten. Auch auf Anfrage arbeite sie gerne, meint Petra Espich. „Das ist besonders spannend.“ Aktuell verwendet die Modistin viel Klöppelspitze. Aus gutem Grund: Im Herbst soll eine Hutmodenschau im Klöppelmuseum Abenberg über die sprichwörtliche Bühne gehen.



Die „Faszination Hut“ weitertragen will Petra Espich aber nicht nur durchs Präsentieren ihrer Ware. Sie bietet auch regelmäßig Kurse an und über mangelnde Nachfrage könne sie sich bislang nicht beklagen. Sogar aus der Schweiz sei schon eine Teilnehmerin da gewesen: „Man merkt halt, dass es ein aussterbendes Handwerk ist, das immer seltener beherrscht wird“.

Doch das müsse nicht sein, glaubt Petra Espich. Wenn sich Frauen nur ein wenig mehr zu sich selbst bekennen würden, dann wäre er mit Sicherheit schnell wieder da: „Der Mut zum Hut!“

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