Kleine Schritte vorwärts

26.4.2018, 16:21 Uhr
Kleine Schritte vorwärts

"Kleine Schritte bewegen was". Das sagt Walburga Bauernfeind. Sie ist seit der Erstauflage des Girls‘Day im Landkreis im Jahr 2002 federführend dabei; neben der Gleichstellungsbeauftragten im Landkreis, Claudia Gäbelein-Stadler und dem Kreisjugendring. Ebenso beim Boys' Day, der in der Region 2011 eingeführt wurde. Als "Beauftragte für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt" – so die etwas sperrige Berufsbezeichnung Bauernfeinds – begleitet sie die Aktion im Auftrag der Agentur für Arbeit Ansbach-Weißenburg.

Hat sich diese angesichts der wachsenden Zahl an Berufsinformationsmessen nicht überholt? "Nein. Gar nicht. Bei den Messen ist es immer noch so, dass sich die Jugendlichen doch in erster Linie bei ,typischen' Berufen informieren. Beim Girls' und Boys'Day versuchen sie sich dann doch einmal ganz bewusst in geschlechtsunspezifischen Berufen", sagt Bauernfeind.

"Macht Spaß"

Die Praxis gibt ihr Recht: Johanna, Emily und Anika, drei Dreizehnjährige, die gestern vom Eckersmühlener Zimmerermeister Manfred Dirsch und seinen drei Alt-Gesellen unter die handwerklichen Fittiche – und später auch hinauf auf einen reparaturbedürftigen Dachstuhl – genommen werden, geben unumwunden zu: Von alleine wären sie nicht darauf gekommen, sich mal in einer Zimmerei umzusehen. Aber "macht Spaß", stellt das Mädels-Trio in der ersten Brotzeitpause fest.

Ähnlich positiv überrascht fällt das erste Resumeé in der Rother Krankenpflegeschule aus. Hier schmecken allein 20 von den insgesamt landkreisweit 60 Boys'Day-Teilnehmern in den Beruf des "Gesund-und Krankheitspflegers" hinein, in dem Frauen noch immer weitaus häufiger zu finden sind.

"Viele Möglichkeiten"

"Weil viele gar nicht wissen, wie viele Weiterentwicklungsmöglichkeiten es gibt – von der tatsächlichen Pflege am Krankenbett bis hin zum Management."

Das sagen zwei, die es wissen müssen. Und die aus Überzeugung im sozialen-pflegerischen Bereich arbeiten: Heinz Hofer, der 1980 die Ausbildung absolvierte – jetzt Fachlehrer für Pflege ist; und Sebastian Kammel (18), aktuell im zweiten Jahr seiner Ausbildung, die er nach einem sozialen Jahr in der Kreisklinik begonnen hat. Der Rother ist überzeugt: "Das Bild, das viele von meinem Beruf haben, ist immer noch viel zu einschichtig und entspricht nicht der Realität."

Dennoch: Es tut sich was. Mehr noch in den Köpfen der Mädchen als in denen der Jungs. Darin sind sich Walburga Bauernfeind und Claudia Gäbelein-Stadler einig.

Für sie ist der "Girls‘Day'" ein wichtiger Baustein in der Überzeugungsarbeit, die sie in ihren jeweiligen Bereichen sowohl bei Mädchen als auch bei Jungs leisten. Bauernfeind: "Immer mehr Mädchen trauen sich jetzt auch in den gewerblich-technischen Bereich. Weil sie gemerkt haben, dass ,frau‘ hier in einem anspruchsvollen Beruf gut verdienen kann."

"Perspektiven aufzeigen"

Dass der Beruf der "Zimmerin" wohl auch weiterhin ein "Spartenprogramm" für Frauen bleiben wird, steht für Zimmerermeister Manfred Dirsch außer Frage. "Weil man dafür tatsächlich körperlich belastbar sein muss." Für ihn kein Grund, es nicht zu versuchen. Im Gegenteil: Fast von Anfang an nimmt er, so wie gestern, beim Girl‘Day Mädels in den Betriebsalltag mit. "Man muss jungen Leuten doch Perspektiven aufzeigen. Meine Erfahrung zeigt mir, dass es viele gibt, die mit ihren Händen etwas schaffen wollen. Ich kann den Spruch nicht mehr hören, dass Jugendliche nicht leistungsbereit sind", so Dirsch, der auch in der Rother Berufsschule unterrichtet. Was im Speziellen Frauen in Männerberufen angeht, belässt es der gestandene Handwerksmeister nicht mit Lippenbekenntnissen: Ab September wird ein weiblicher Lehrling seine (bisher rein männliche) Mannschaft ergänzen.

"Vor 30 Jahren noch undenkbar", sagen seine drei Altgesellen, die gestern Vormittag mit viel guter Laune und Geduld "ihre" drei Schnupperpraktikantinnen auf die Baustelle mitgenommen haben.

"Wir wollen die Neugier auf mehr wecken". Was Heinz Hofer für die Krankenpflegeschule als Devise für ein informatives Tagesprogramm ausgegeben hat, haben sich auch alle anderen Betriebe, Einrichtungen und Institutionen auf die Fahnen geschrieben; die Großen, die sogar eigene Lehrwerkstätten unterhalten können, wie Leonie, Speck-Pumpen, oder Schlenk sind genauso dabei wie Gemeindeverwaltungen, Kindergärten, Altenheime und kleine Familienbetriebe.

Natürlich auch, weil der Fachkräftemangel immer spürbarer wird. Doch andererseits "kann und soll dieser Girls' und Boys' Day dazu beitragen, dass Mädchen wie Jungen frei von Rollenzuweisungen ihren Beruf nach Interessen, Talenten und Fähigkeiten wählen", so die Gleichstellungsbeauftragte. Das ist – noch – eine Vision. Aber wie es Walburga Bauernfeind schon sagte: "Es braucht viele kleine Schritte – aber es geht voran."

 

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