Kult-Nachwächter mit Nachfolger unterwegs

18.12.2017, 09:57 Uhr
Kult-Nachwächter mit Nachfolger unterwegs

© Fotos: Tobias Tschapka

Im Herzen des innerstädtischen Grünzugs begrüßte sie der Mann, der seit Jahren als "Nacht- und Sittenwächter" regelmäßig Führungen für Groß und Klein übernimmt, und damit Stadtgeschichte schrieb. Ein echtes Hilpoltsteiner Original. Leider wird es für Gottfried Gruber die vorletzte Wanderung seiner Karriere, und schon jetzt macht er sich so seine Gedanken hinsichtlich der "guten Sitten" der Stadt, wenn er sich bald in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet. Aber seine Sorgen halten sich in Grenzen, schließlich habe er doch einen würdigen Nachfolger gefunden, und in der Tat stand neben Gruber gleich noch ein Nachtwächter – ebenfalls mit dunklem Umhang, Hellebarde und Laterne.

Hinten statt vorne

"Noch laufe ich als Chef voraus, aber in Zukunft werde ich hinter ihm herlaufen", so Gruber und deutete auf Andreas Scheuerlein, den Hilpoltsteiner Nacht- und Sittenwächter in spe, der sich noch vornehm zurücknahm und den Kindern half, deren Fackeln zu entzünden.

Und so wurde die Försterwiese, über die sich langsam die Dämmerung ausbreitet, nach und nach ins warme Licht von unzähligen Fackeln getaucht. Die Wanderung ging aber nicht schnurstracks zur Burg, sondern erstmal in die entgegengesetzte Richtung. Erster Halt: die evangelische Kirche.

Erst 1926 sei diese erbaut worden, erklärte der Nachtwächter, und deshalb wurde in der sogenannten "Vorstadt" auch Kirchweih gefeiert. "Schee war’s, hat mir mein Vater erzählt. Da wurde ordentlich gerauft", so Gruber mit einem Grinsen. Abgelöst wurde diese Vorstadt-Kirchweih allerdings schon ein Jahr später vom Burgfest, das heuer 90. Geburtstag feierte. Weiter ging es ein kleines Stück den Altstadtring entlang, dort wo sich derzeit eine große Baugrube auftut. "Was für ein mächtiges Loch", meinte einer der Gäste, als sich die Besuchergruppe an dem großen Kran vorbeizwängte.

Dann bog die Gruppe rechts in die Zwingerstraße ab, die auch noch zur Vorstadt gehörte. Auch Gruber sei ein Vorstandkind, erzählte er. Als er geboren wurde, war aber die wildeste Zeit dort schon vorbei.

Extrem wild war es, als im Dreißigjährigen Krieg der Schwedenkönig Gustav Adolf in der Vorstadt Station machte – zusammen mit 300 Soldaten. "Damals gab es innerhalb kürzester Zeit jede Menge Hinrichtungen wegen Vergewaltigung", erzählt der Nachtwächter.

Gefragte Badehäuser

Jede Menge "Badehäuser" waren dort früher auch zu finden, wo sogenannte "Reiberinnen" ihrem Geschäft nachgingen. Es gab sogar ein Badehaus nur für Pfarrer und Beamten. "Dort arbeiteten übrigens auch Männer, warum weiß ich nicht so genau", behauptete Gruber.

Erst im Jahr 1919 bekam die Vorstadt fließendes Wasser, allerdings gab es das zunächst nur für Beamten, die Wasserleitung fürs Volk wurde erst 1923 verlegt. Dann war man auch schon auf dem Marktplatz angelangt, wo Gruber seinen Gästen jede Menge Wissenswertes über die Residenz und das Rathaus erzählte. Für einen Glühwein an der Bude, die an diesen Abend von Mitgliedern der Wasserwacht betreut wurde, blieb jedoch keine Zeit, schließlich wartete auf der Burg noch ein himmlisches Kind auf die Nachtschwärmer.

Als die Gruppe die Christoph-Sturm-Straße überquerte wies Gruber einen Autofahrer zurecht, der sich trotz der gerade querenden Fußgänger in eine Parklücke quetschen wollte – die Fackelwanderer hatten Vorfahrt in dieser Nacht. Dafür sorgte die Hilpoltsteiner Feuerwehr.

Auf dem Burganger angekommen erzählte Gruber von Pfalzgräfin Dorothea Maria, die letzte Bewohnerin der Burg. "Eine ganz besondere Frau", findet Gruber. Und gesundheitsbewusst. Hatte sie auf ihrer Burg 1606 doch tatsächlich eine Sauna einrichten lassen, und gebadet hatte sie – angesichts der damaligen schlechten Qualität des Brunnenwassers – in Regenwasser. Kein Wunder, dass sie fast 80 Jahre alt geworden ist, ein nahezu biblisches Alter für die damalige Zeit, in der kaum jemand den 40. Geburtstag erlebte.

Inzwischen waren die meisten Fackeln heruntergebrannt. Zeit, sich im Freyerskeller aufzuwärmen, wo es Glühwein und Kinderpunsch gab, und in dem das Hilpoltsteiner Christkind alias Nicole Stadlbauer schon mit ihrem goldenen Buch wartete, aus dem sie die Geschichte "Licht sein" vorlas. Anschließend gab auch Nachtwächter Gruber noch eine eher für Erwachsene geeignete Geschichte von einem Weihnachtsfest in der Nachkriegszeit zum Besten, und dann war der offizielle Teil der vorletzten Fackelwanderung mit Gottfried Gruber schon wieder vorbei.

Die letzte Gelegenheit, Gruber noch einmal in seiner Paraderolle zu erleben, ist am Freitag, 29. Dezember um 19 Uhr, denn dann gibt er seine große Abschiedsvorstellung, zu der viele Gäste erwartet werden. Treffpunkt ist an der Hilpoltsteiner Residenz.

 

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